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Mansfeld

Abschied von der Kindheit

Immer wieder sind die schwarzen Halden zu sehen, die das Dorf im Mansfelder Land umschließen. Die vergangenen Generationen haben sie hinterlassen, Überreste des Bergbaus, in einer Region, die nun in einem Dornröschenschlaf versunken scheint. Der Dokumentarfilm fängt sie in stimmungsvollen Bildern des Winters ein: im Nieselregen, von Schnee bedeckt oder unter einem Panoramahimmel, an dem sich die Wolken bedrohlich zusammenballen.

Die Halden sind der geheimnisumwitterte Horizont der drei Protagonisten: Sebastian, Tom und Paul. Zugleich wirken sie wie der Schutzwall ihrer Kindheit. Sie stammen aus ganz unterschiedlichen Verhältnissen und haben nicht dieselbe Zukunft zu erwarten. Das sieht man, wenn man sie zusammen im Klassenzimmer erlebt oder im Umfeld ihrer Eltern und Geschwister. Für manche ist die Kindheit ein Kampf um Anerkennung, für andere eine Spielwiese oder ein großes Geheimnis. Alle drei werden aber schon bald erwachsen sein, sie werden die alte Generation ablösen. Der Film porträtiert die drei Jungs von Herbst bis Frühjahr. In dieser Zeit bereiten sich alle drei auf das Pfingstfest vor, an dem im Mansfelder Land seit Jahrhunderten ein bizarres Ritual stattfindet. Kinder mit Blumenhüten verjagen mit knallenden Peitschen den Winter, verkörpert durch Männer, die sich theatralisch im Schlamm suhlen und in der Erde festkrallen. Das Peitschenknallen ist eine Kunst und für die Jungen ein Initiationsritual.

MANSFELD zeigt die Region nicht als eine trostlose verlorene Gegend, die nach dem Ende der Bergbautradition stets von Arbeitslosigkeit bedroht ist, sondern als eine Welt voller Wunder. Das erreicht er, indem er konsequent an den Perspektiven der Kinder dranbleibt. Oft sieht man sie mit offenem Mund dastehen und die Rituale der Erwachsenen beobachten: wie das Häuten eines Hasen oder das Schlachten eines Schweins. Diese Erwachsenen sind ihre Vorbilder, auch wenn sie oft unscharf bleiben, keinen rechten Halt zu bieten scheinen. Doch Mario Schneider geht es auch im dritten Teil seiner Mansfelder-Trilogie (nach HELBRA und HEINZ UND FRED) weniger um die konkreten sozialen Verhältnisse, sondern darum, diese Wirklichkeit zu durchstoßen und zu den allgemeinen Fragen dahinter zu kommen, mit denen sich die Menschen immer aufs Neue beschäftigen. Dazu setzt er gezielt Musik ein, die den visuellen Raum in Richtung Imagination öffnet. Einmal mehr zeigt sich Schneider somit als der Metaphysiker unter den Dokumentarfilmern.

D 2012, 98 min
FSK 6
Verleih: 42film

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Mario Schneider
Kamera: Peter Badel, Thomas Plenert

Kinostart: 16.05.13

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...