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Meine Schwester Maria

Sensible, ehrliche und bedrückende Annäherung an eine traurige Legende

Maria Schell. Ein großer Filmstar. Einer der größten deutschsprachigen Stars neben Marlene Dietrich und Romy Schneider überhaupt. Erst war sie das "Seelchen" des deutschen Nachkriegskinos: seichte Rollen, immer zwischen offenem Lachen und tränenfeuchter Weltschmerzelei. Dann wurde sie zur Charakterdarstellerin, spielte in DIE LETZTE BRÜCKE und unter René Clement GERVAIS. Sie verdrehte Yul Brynner den Kopf, lag in den Armen Glenn Fords und durfte in Gary Coopers ozeanfarbenen Augen versinken. Auszeichnungen überall, auch in Venedig und Cannes.

Knapp vierzig Jahre später. Maria Schell. Gescheiterte Lieben, große Enttäuschungen, finanzieller Ruin. Selbstmordversuch. Maria Schell lebt heute schwer depressiv wie ein Eremit zurückgezogen und einsam auf der Alm ihrer Eltern in Kärnten. Den Großteil des Tages verbringt sie im Bett vor ihren zahllosen Fernsehern und schaut sich eine Mixtur aus verzerrt wahrgenommenem Gegenwartsgeschehen und ihren alten Filmen an.

Maximilian Schell, ebenfalls ein großer Filmstar und ihr Bruder, besucht sie, kümmert sich und ist aber nicht nur durch seinen Wohnsitz in Los Angeles entfernt von seiner Schwester. Trotz großem Respekt vor dem Werk Marias, kann und will Maximilian Schell seine Traurigkeit ob des tragischen Schicksals seiner großen Schwester verbergen - das sich sicherlich irgendwo zwischen Lebensgier, Gutmütigkeit und Selbstaufgabe seinen verzweifelten Weg bahnte.

Man spürt förmlich, wie er vieles nachholen möchte, was in der rasant vergangenen Zeit nie möglich war. Aufarbeiten, Reden, Annähern, Kennenlernen.

Schell liegt es fern, chronologisch zu erzählen, ihm scheint die übliche Reportagen-Oberflächlichkeit zuwider. Er arbeitet daher weniger filmisch als sensibel beobachtend. Das macht sein Werk so bedrückend, ehrlich, ungeschönt und - ohne Kalkül - wirklich zutiefst ergreifend. Wenn Maria - von Alter und Traurigkeit physisch und psychisch gezeichnet - davon spricht, daß doch Erinnerungen das Schönste im Leben seien, weil niemand, aber auch wirklich niemand sie nehmen könne, dann kommt das Drama in voller Größe ans Licht. Einige der Momente sind nachgestellt, inszeniert und wirken mitunter etwas linkisch - als künstlerisches Mittel ist dies jedoch legitim.

Eine Szene rührt zu Tränen: Panisch ruft Maria Schell nachts ihren Sohn an, will sich von ihm verabschieden, weil sie gerade im Fernsehen das Ende der Erde durch einen Kometenaufschlag und dabei ihren "Maxl" am Strand gesehen hatte. Glücklich, daß dies natürlich nicht passierte. Traurig, daß Maria DEEP IMPACT gesehen hatte - ein Katastrophenthriller mit ihrem Bruder in einer kleinen Rolle.

Maximilian Schell führt seine Schwester niemals vor, noch demaskiert oder verschönt er. Er will da sein, helfen und Marias Würde bewahren. Das ist ihm bestimmt gelungen.

D/Österreich/CH 2002, 90 min
Verleih: Angel Falls/Rekord

Genre: Dokumentation, Biographie

Regie: Maximilian Schell

Kinostart: 27.06.02

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.