Originaltitel: MIDNIGHT IN PARIS

USA 2011, 96 min
FSK 0
Verleih: Concorde

Genre: Komödie, Historie

Darsteller: Owen Wilson, Rachel McAdams, Kathy Bates, Adrien Brody

Stab:
Regie: Woody Allen
Drehbuch: Woody Allen

Kinostart: 18.08.11

27 Bewertungen

Midnight In Paris

Allensche Zeitreise als intelligentes Kino in Reinnatur

Und er kriegt sie doch alle! Kaum ein amerikanischer und vor allem in den letzten Jahren auch europäischer Filmstar von ernstzunehmender Statur, der sich nicht freiwillig und für ein Taschengeld von Woody Allen verpflichten ließ. Und nun tummeln sich in dessen jüngstem Film, der zugleich eines seiner sinnlichsten und klügsten Werke ist, auch noch Pablo Picasso, Gertrude Stein und die Großfresse Ernest Hemingway. Wie das?

Nun, Woody Allen lädt ein zu einer Städtereise der besonderen Art, indem er sich während eines Paristrips an die Seite des sich in Kürze zu vermählenden Paares Inez und Gil heftet. Sie eine Bilderbuchamerikanerin, die sich keineswegs ausmalen möchte, irgendwann außerhalb der Staaten zu leben, und er ein zwar erfolgreicher, aber mittlerweile unambitionierter Drehbuchschreiberling, der seinen ersten richtigen Roman fast fertig hat und darüber hinaus für die Stadt der Liebe im Allgemeinen und für das Paris der 20er Jahre im ganz Besonderen schwärmt. Bei einem Treffen mit Inez’ reaktionärem Vater werden die üblichen, bissig-charmanten Trottel- und Volldeppen-Komplimente zwischen Schwiegersohn in spe und dem alten Herren ausgetauscht, auf einer Stadtbesichtigung erduldet der geplagte Gil die klugscheißerischen Ausführungen von Paul, dem Ex von Inez, der alles weiß. Wirklich alles – über Architektur, Sonnenkönig, Weine und Rodin. Gil muß da raus, und das geht schneller, als er es sich zu Ende wünschen kann: Auf einem nächtlichen Bummel stoppt in einer einsamen Gasse ein alter Peugeot, die Tür fliegt auf, Gil solle doch einsteigen. Der Erstaunte reibt sich die Augen, kratzt sich am Ohr, denn die Aufforderung kam von keinem Geringeren als Hemingway Himself. Zehn Minuten später befindet sich Gil auf der Party von Cocteau, Jean Cocteau ...

Was für eine abenteuerliche Idee, welch’ abrupter Wechsel in der Szenerie, aber eben auch im gesamten Duktus, zwangsläufig, denn Woody Allen reist – wenn schon, denn schon – richtig in frühere Epochen. Das spiegelt sich in Musik, Ausstattung und Attitüden akribisch und doch unverkrampft wider. Selbstverständlich sitzt da Cole Porter am Flügel, Frau Stein wird sich des Buches von Gil annehmen und ihm Größe attestieren, Gil sieht sich kurz darauf dem metrosexuellen Pakt von Dalí, Buñuel und Man Ray ausgeliefert, wird Zeuge der ehelichen und fuselgetränkten Eskapaden der Fitzgeralds. Und schließlich ist Gils Expertise gefragt, ob 500 Francs für einen Matisse ein anständiger Preis sei!

Unglaublich, mit welch’ geradezu kindischer Freude und Fabulierlust sich der 75jährige Meisterfilmer Allen auf diesem historischen Spielplatz austobt, eine Leidenschaft, die sich auf die Schauspieler überträgt. Adrien Brody als exaltiertem Dalí sind die Lacher sicher, Kathy Bates als wuchtige Salonlöwin Stein ist einfach wunderbar, doch vor allem der bisher unterschätzte Owen Wilson als Gil macht seine Sache gut. Und konsequent, nämlich derart, daß man in ihm den jungen Woody Allen wiedererkennt und somit eingebunden wird in diesen Reigen der Nostalgie, der indes kein larmoyant rückwärts gewandter, sondern vielmehr ein leichthändig hingetupfter Geschichts-, Städte- und – wie soll es anders sein bei Allen – Beziehungstrip ist. MIDNIGHT IN PARIS ist intelligentes Kino in Reinnatur.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.