Originaltitel: HÉRAÐIÐ

Island/DK/D/F 2019, 92 min
FSK 6
Verleih: Alamode

Genre: Drama

Darsteller: Arndís Hrönn Egilsdóttir, Sigurður Sigurjónsson, Hinrik Ólafsson, Hannes Óli Ágústsson

Regie: Grímur Hákonarson

Kinostart: 09.01.20

1 Bewertung

Milchkrieg in Dalsmynni

Eine Frau sieht weiß

Die idyllische erste Aufnahme – praktisch ein Landschaftgemälde – führt irre: Kaum etwas weckt, intensiver betrachtet, Verweilwünsche, die Schwerkraft muß hier doppelt wirken, Häuser scheinen vertikal niedergekauert, Mundwinkel kennen nur den Hang nach unten. Und dieser fiese Wind!

Ihm trotzt eben Milchbäuerin Inga, hoch verschuldet, Gattin von Reynir. Zärtliche Worte zwischen den Eheleuten? Fehlanzeige, Gespräche zirkeln ums Wesentliche, ergo den Hof, als Maximalmaß an Vergnügen dienen zur Zigarette aufgelegte Musik und manchmal auf Facebook veröffentlichte Kurzgeschichten. Leben oder entfernt so ähnlich, nunmehr mit betonter Nüchternheit eingefangen, Berauschen an Gefühlen strikt verweigernd. Zumindest vor Reynirs plötzlichem Tod und Ingas Reaktion darauf – herzsprengendes Zeugnis nie veräußerlichter, artikulierter, gezeigter, aber stets tief empfundener Liebe.

Ein wunderbarer inszenatorischer Winkelzug, ein weckender Nackenschlag, man sieht fortan genauer hin, vorbei an grob gestrickter Klamottage und adäquatem Mienenspiel, empört sich übers unbeschränkt raffgierige Agieren der lokalen Genossenschaft. Sie, einst gegründet, um Mitgliederinteressen zu vertreten, mutierte längst, aus schützender Mutter brach despotische Herrscherin, Erpresserin, Monopolistin. Inga beweist ihren angstgeschüttelten männlichen Leidensgenossen abgehenden Mumm und nimmt den Kampf auf …

Ziemlich elegant gelingt er jetzt, der Schwenk auf geradezu klassisch anmutende „Allein gegen …“-Wege, steinig holpernde Trampelpfade querfeldein, dazu angetan, Ingas zum Tritt bereiten Füße zu brechen, während provinzielle Enge ihre erhobene Stimme durch Totschweigen zu ignorieren und schließlich abzuwürgen sucht. Oder besser gesagt: Dran scheitert, denn aus wenig heiterem Himmel blitzen Ingas Augen, zwei verstrichene Handlungsdrittel später teilt sie richtig aus. Die titelgebende Aktion – unvernünftig, ja, trotzdem grandios – zaubert manchem örtlichen Feigling Unerwartetes und Unverhofftes ins Gesicht: ein Lächeln!

Und wir schauen zu, glücklich grinsend, weil Inga keine der heutzutage unzählig zusammengerotteten verbiesterten Gestalten ist – vermeintlich viel zu kurz gekommene, von egoistischer Frustration geleitete Maulaufreißer. Nein, die Dame brennt ehrlich lichterloh, bis zum Ende, einer Spiegelung des Anfangs: pittoreskes Bild, Frau mit Hund. Und doch alles anders.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...