1 Bewertung

Mitgift

Früher war alles schlimmer

Gewässer, die stinkende Kloaken waren, Chemiefabriken, aus deren maroden Leitungen permanent Säure tropfte, kohlenrußgeschwängerte Luft in den Städten – so sah es Ende der 80er Jahre in weiten Teilen der DDR aus. Der westdeutsche Filmemacher Roland Blum bereiste im Frühjahr 1990 die DDR und war sichtlich entsetzt angesichts der vorgefundenen Umweltzerstörungen. Seine damaligen Aufnahmen dokumentieren eine Realität, die heute surreal erscheint. Gerade für jüngere Generationen dürfte es kaum mehr vorstellbar sein, in welchem verheerenden Zustand sich dieses Land einst befand.

In den Jahren 2000 und 2013 kehrte der Filmemacher zurück in den Osten. Er besucht Menschen, die er schon 1990 traf, unter anderem den Träger des Alternativen Nobelpreises Michael Succow, Gislinde Woche, eine ehemalige Mitarbeiterin der Filmfabrik Wolfen, und Ralf Elsässer, einen der Mitgründer des Leipziger Ökolöwen. Blums Film MITGIFT zeigt die Veränderungen, die Umwelt und Menschen in über 20 Jahren durchlaufen haben. Wo es 1990 kaum noch Hoffnung gab, zeigt sich zwei Jahrzehnte später eine deutlich verbesserte Situation. Die Natur kann sich wieder von den menschlichen Eingriffen erholen. Allerdings wirkt die heutige Lage im Film mitunter allzu rosig gezeichnet. Sicher, man könnte sogar wieder in der Elbe baden, aber noch immer verschlingt der Braunkohleabbau weite Teile der ostdeutschen Landschaft, und ein Großteil der aktuellen und zukünftigen Umweltprobleme – Klimawandel oder Artensterben, um nur zwei zu nennen – sind einfach viel weniger augenfällig als die Verschmutzung damals. Auch befindet sich die schmutzige Industrie heute schlicht in anderen Ländern.

Blums Konzept, Archiv- und aktuelle Aufnahmen in Kontrast zueinander zu setzen, funktioniert in der ersten Filmhälfte sehr gut. Besonders interessant für das Leipziger Publikum sind etliche Szenen, welche die Stadt und ihr Umland in der Wendezeit zeigen. Zunehmend jedoch verliert der Film seine Ruhe und seinen klaren Fokus. Er springt immer schneller zwischen Orten und Protagonisten. Auch werden etliche Infoschnipsel reingepackt, die mit dem Umweltthema kaum noch etwas zu tun haben, etwa der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche oder Figurenschnitzer im Erzgebirge. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen.

Trotz dieser Einwände ist MITGIFT aufgrund seines eindrücklichen Archivmaterials ein sehenswerter Film – insbesondere für diejenigen, welche die DDR nicht mehr aus eigenem Erleben kennen.

D 2013, 96 min
FSK 0
Verleih: Film Kino Text

Genre: Dokumentation

Regie: Roland Blum

Kinostart: 06.03.14

[ Dörthe Gromes ]