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Nanny Diaries

Die Xanthippe trägt Dior

Kürzlich ging ein Aufschrei durch die Medienlandschaft: "Jetzt singt sie auch noch!" Gemeint ist jedoch nicht Barbara Schönebergers gleichnamiges Album, wir reden vielmehr von Scarlett Johansson. Bleibt zu hoffen, das Feuilleton vergißt wegen Johanssons zugegebenermaßen recht gewöhnungsbedürftiger Trällerei nicht, wie locker sie einen Film tragen kann. Zum Beispiel diesen, welcher verdächtig an den Kinohit DER TEUFEL TRÄGT PRADA erinnert.

Denn wieder handelt es sich um die Adaption eines autobiographisch angehauchten Romans, erneut nimmt die junge, etwas unbedarfte Protagonistin einen für sie eigentlich unpassenden Job – hier: Kindermädchen – an, muß sich mit ihrer versnobten, persönliche Probleme durch Biestigkeit kompensierenden Megäre von Arbeitgeberin herumschlagen, lernt dabei für’s Leben und findet nebenbei die Liebe. Wie Meryl Streep in ihrer Paraderolle als Modeziege stets giftete: "That’s All!"

Grund zum Abwinken besteht aber trotzdem keinesfalls, schließlich verfügen diese Nanny-Tagebücher über ganz individuellen, unwiderstehlichen Charme. Das fängt bei gelungenen visuellen Einsprengseln inklusive deutlichster (klar!) MARY POPPINS-Reminiszenzen an, setzt sich über scharfzüngige Dialoge fort und endet schließlich mit zwei fabelhaften Hauptdarstellerinnen, deren Freude am Duell spürbar ist, zumal sich beide nicht scheuen, für die Pointe über ihre eigene (Image-)Leiche zu gehen. Ganz groß: Johanssons Auftritte im schrecklichen Blümchenslip oder Betsy-Ross-Kostüm. Zum Schreien! Mag sein, daß die obligatorischen Ausflüge ins Dramatische – unter anderem oben bereits angedeutete Ehestreitigkeiten – schon aufgesetzt wirken und das Ende schmalziger kaum inszeniert sein könnte. Man verzeiht es ohne Murren.

Dieser überdrehte Blick auf die sich selbst abschottende "Küßchen da, Küßchen dort, ruf mich an, Darling"-Oberschicht inklusive aller dümmlichen Regeln streichelt die Seele, macht einfach Heidenspaß und eignet sich perfekt als das, was man landläufig wohl "Date Movie" nennen würde, zumal die eingeflochtene Liebesgeschichte zurückhaltend echt wirkt, selbst Verweigerern jeglicher Romantik ergo nie auf den Nerv geht. Please, Dear Miss Johansson: weniger singen und unbedingt mehr Komödien drehen! Sincerely Yours,

Originaltitel: THE NANNY DIARIES

USA 2007, 106 min
Verleih: Central

Genre: Komödie

Darsteller: Scarlett Johansson, Laura Linney, Alicia Keys, Nicholas Reese Art, Chris Evans

Stab:
Regie: Shari Springer Berman, Robert Pulcini
Drehbuch: Shari Springer Berman, Robert Pulcini

Kinostart: 14.08.08

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...