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Odette Toulemonde

Ein wunderbares Märchen über die Einfachheit der Dinge

Vom Leben hat sie Ahnung, glaubt Odette. In diese Gewißheit hält sie auch immer Rat für andere parat. Auch für junge Frauen, die mit blaugeschlagenen Augen bei ihr in der Kosmetikabteilung immer öfter vorbeischauen. Odette ist selbst - als sie jungverliebt war - gegen "Türen" gerannt. Sie weiß auch, daß man sich von solchen "Türen" trennen muß, in der Zwischenzeit rät sie der gepeinigten Dame jedoch zu einem Schnitzel aufs schmerzende Lid. Odette kommt allein gut zurecht, seit zehn Jahren ist ihr geliebter Antoine nun schon tot, die Kinder sind aus dem Gröbsten raus, obwohl sie ihr schon manchmal Sorgen machen.

Tochter Sue Helen kriegt nach dem Studium nix gebacken, Sohn Rudy hingegen ist eine Frohnatur, bringt vielleicht nach dem Geschmack der Mutter nur ein wenig zu oft wechselnde Liebhaber mit nach Hause. Doch wenn es stressig wird, dann träumt Odette, dann schwebt sie über den Dächern von Charleroi, dann packt sie sich in ihr Schlafzimmer mit übergroßem Romantikposter an der Wand und versinkt in die Bücher des Schmonzettenkönigs Balthazar Balsan. Bei ihm verliert die gute Odette sogar ihre Selbstsicherheit, auch die Sprache, weshalb sie bei einer Autogrammstunde nicht mal ihren Namen vollständig aussprechen kann und nun "Pour Dette" in ihrem Buch steht. Balsan schläft schon mal mit der rassigen Pressefrau des Verlages, ist aber an sich eine einsame Seele: ein Schriftsteller, dem der ärgste Kritiker nicht nur die Frau ausspannt, ihn auch noch zum Hofautoren aller Friseusen und Kassiererinnen degradiert. Balsan bricht zusammen, im richtigen Moment kriegt er einen hochemotionalen Brief. Von Odette. Und so klingelt er eines Tages an ihrer Tür ...

Eric-Emmanuel Schmitt hat ein Märchen geschrieben, das er nun gleich selbst verfilmt hat. Und wie er es verfilmt hat! Als eine bittersüße, manchmal buttercreme-farbene, mit irrwitzigen und wohldosierten Gesangs- und Tanzeinlagen bestückte Ode an die Warmherzigkeit, an das Einfache, das Gute - denn dafür steht diese Odette Jedermann. Nur ein Mensch wie Odette, die sich mit zwei Jobs und einer etwas schrägen Familie rumplagt, die lebensklug, dennoch naiv, verletzt aber noch immer zu tiefer Liebe in der Lage ist, kann einen erfolgsverwöhnten Typen wie Balsan aufrütteln, ihn sich selbst wieder spüren lassen.

Schmitt findet wunderbare Auflösungen, wenn das Leben sich mal wieder zu ernst zu nehmen scheint, und das Schicksal seiner Figuren ins allzu Dramatische rutschen könnte. Genau dann muß Josephine Baker ran und über Vorzüge von Zuckerrohr und Madame Chiquita singen. Die fabelhafte Catherine Frot darf dazu wunderbare Tänze aufführen, die Bananenrocknummer bleibt allerdings ihrem schwulen Sohn Rudy vorbehalten. Herrlich, irrsinnig, teilweise zum Heulen schön und - gerade zum Schluß - un peu de kitsch.

Originaltitel: ODETTE TOULEMONDE

F/Belgien 2006, 100 min
Verleih: Senator

Genre: Literaturverfilmung, Tragikomödie

Darsteller: Catherine Frot, Albert Dupontel, Jacques Weber, Fabrice Murgia

Stab:
Regie: Eric-Emmanuel Schmitt
Drehbuch: Eric-Emmanuel Schmitt

Kinostart: 25.10.07

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.