Originaltitel: OLIVER TWIST

F 2005, 128 min
Verleih: Tobis

Genre: Drama, Literaturverfilmung, Schicksal

Darsteller: Barney Clark, Ben Kingsley, Jamie Forman

Regie: Roman Polanski

Kinostart: 22.12.05

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Oliver Twist

Herr Dickens geht ins Kino

Es ist eine der bekanntesten Geschichten der Welt, jene vom Waisenjungen Oliver, der allen Fallstricken des Schicksals trotzt und ein guter Mensch bleibt. David Lean schuf 1948 daraus ein Leinwandepos, Disney machte aus dem Knaben für OLIVER & COMPANY eine Katze, und Carol Reed lehrte für sein Musical OLIVER! Gauner und Taschendiebe gleichermaßen das Singen. Mit Roman Polanski liefert nun einer der renommiertesten Gegenwartsregisseure seine eigene, düstere und nur bedingt kindertaugliche Leinwandadaption. Im Armenhaus geboren, entgeht Oliver mit neun Jahren nur knapp dem Galgen. Für eine stolze Summe wird der blasse Knabe an einen Bestatter verkauft, doch schon bald reißt er aus, nach London soll es gehen. Hier rekrutiert ihn der Meisterdieb Dodger als Zuwachs für seine Bande von halbwüchsigen Kollegen, die vom schlitzohrigen Fagin angeführt werden und ein ebenso lukratives wie gefährliches Leben führen. Doch Olivers Odyssee wird ihn noch in die feine Gesellschaft und weitaus größere Gefahr bringen.

Skeptiker reiben sich jetzt schon daran, daß Drehbuchautor Ronald Harwood seinen diebischen Helden nacheifert und ganze Handlungsstränge einfach in die Tasche verschwinden läßt. Sei’s drum! Charles Dickens sah sich stets als Unterhalter, kannte all seine Werke auswendig und trug sie oft und gern einem begeisterten Publikum vor. Sein "Oliver Twist" war Verschwörungskrimi und Zeitgeistpanoptikum zugleich, und er hätte an Polanskis Adaption seine wahre Freude gehabt. Hier wabert Nebel durch Londons Gassen und knarren Kutschen übers schmuddelige Pflaster. So theatralisch manche Kulisse auch wirkt und so klischeehaft das Räuberpack auch daherkommt, stets hat man eine Ahnung, wie gefährlich es im London anno 1838 gewesen sein könnte.

Und nicht zuletzt ist Ben Kingsleys Galavorstellung als Fagin zu nennen, die katzbuckelnde Verschlagenheit mit Großzügigkeit vereint. Sicher manifestierte sich gerade in dieser Figur Dickens’ eigene Ignoranz - nicht umsonst wird Fagin im Buch "der Jude" gerufen und sortiert regelmäßig seine angehäuften Schätze. Doch Polanski schlägt auch hier den richtigen Ton an. Zwar mag OLIVER TWIST für ihn nicht das maximale künstlerische Wagnis darstellen, eine glanzvolle Literaturverfilmung ist ihm allemal gelungen.

[ Roman Klink ]