Originaltitel: DEMAIN TOUT COMMENCE

F 2016, 118 min
FSK 0
Verleih: Tobis

Genre: Komödie

Darsteller: Omar Sy, Clémence Poésy, Gloria Colston, Antoine Bertrand

Regie: Hugo Gélin

Kinostart: 05.01.17

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Plötzlich Papa

... wird ein sympathischer Aufreißer

Nein, anbrennen läßt der wirklich nix. Samuel flirtet mit Gästen auf der Charteryacht, die er zu Ausflügen betreut, wühlt sich durch die Laken schon mal mit gleich zwei paarungsfreudigen Damen, und die Notlügen, die er für seine Chefin Samantha erfindet, sind stets die gleichen und per se so löchrig, daß man den Kerl einfach nur mögen muß. Und schon daher verwundert es kaum, daß es echt nicht wenige sind, die dem Charme des Kindskopfes an diesem lauschigen Strand an der Côte d’Azur erliegen. Auch Kristin gehörte dazu. Vor gut einem Jahr. Daß sie sich wiedersehen würden, daran wird wohl Luftikus Samuel als Letzter gedacht haben. Tun sie aber nun doch, nur anders als in kühnsten Träumen erwartet. Kristin weckt ihn aus dem aktuellen Dreier-Techtelmechtel, sie will ihm etwas zeigen, steigt ins Taxi und ist fort. Was bleibt, ist ein Mini-Bündel, das schreit, kackt und Hunger hat. Samuels drei Monate alte Tochter.

Und hier muß man schon sagen: Die Metamorphose des in doch nicht wenigen Filmen lässig bis klamaukig aufspielenden Omar Sy tut dem Akteur sichtbar gut, der Zuschauer ist ebenso gern dabei, wenn sich aus dem ungelenk bis rotzfrech windenden, jede Verantwortung erst einmal von sich weisenden Kerl ein dann doch kämpferischer, sich von der eigenen Oberflächlichkeit emanzipierender Mann und ein – das darf man schon verraten – durch und durch liebender Vater entpuppt. Daß mit dem aufwachsenden Kind, Gloria heißt der süße Fratz, natürlich das sattsam bekannte Omar-Sy-Repertoire wie die obligatorische Tanznummer abgerufen wird, geht okay, weil der Film durchaus ein paar schöne Wendungen bereithält, die aus Samuel, dem Schürzenjäger, nach der Begegnung mit einem in der Tat sehr schwulen Filmproduzenten einen Stuntman und unorthodoxen Erziehungsberechtigten machen, wobei der Schauplatz ins lärmende London verlegt wird, was ganz gut für einen Neuanfang taugt.

Womit man noch einmal auf Sy eingehen muß: Natürlich mag man an ihm noch immer den Grimassenzieher, diesen ewig jungen Hansdampf, aber es sind doch die stilleren Momente, die zeigen, was Sy eben auch ist: ein durch und durch passabler Schauspieler! Der tatsächlich die ganze Tonleiter der Gefühle spielen kann, wenn er wie hier glaubwürdig einen um seine Rechte, um seinen Lebenssinn und seine Liebe kämpfenden Mann gibt, was er tut, als nach mehr als acht Jahren Kristin sich an ihr vor unbändiger Mutterliebe pochendes Herz erinnert ...

Manches ist ziemlich grob gehauen in diesem trotz einigen Heulpotentials luftig-unterhaltsamen Film von Hugo Gélin, er ist eben für ein großes Publikum konzipiert, erinnert nicht selten in Rhythmus und Duktus an das moderne amerikanische Kino, wo der Verzicht auf Zwischentöne manchmal dazugehört, angepappt Wirkendes wie der Gerichtsprozeß ebenso. Alles halb so wild aber, weil die Beziehung zwischen der kleinen Gloria und ihrem Vater wider Willen toll gezeichnet ist, schön spinnert und unkonventionell. Denn (für alle, die sich jetzt mal irgendwie zurückfühlen möchten) wem wäre es nicht sofort besser gegangen, wenn der Papa als Wundsalbe schön fettige Mayonnaise bereitgehalten hätte, und wer hätte sich schon wahrlich freigeistigen Zahnziehmethoden erwehrt, bei denen ein Basketball, also so mitten ins Gesicht, eine Rolle spielt? Eben!

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.