D 2018, 118 min
FSK 6
Verleih: Filmperlen

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Eva Löbau, Veronika Nowag-Jones, Axel Werner

Regie: Lucia Chiarla

Kinostart: 15.11.18

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Reise nach Jerusalem

Wenn mal wieder gar nichts klappt

Alice, 39 Jahre, Single in Berlin, ist schon seit zwei Jahren auf Jobsuche, ihre Arbeit als freiberufliche Texterin bringt schlicht nicht genug Geld zum Leben ein. Also schlägt sie sich mit absurden Marktforschungsjobs durch, für die sie mit Benzingutscheinen entlohnt wird. Obwohl sie gar kein Auto hat ...

Als Alice dann auch noch eine nicht minder absurde Wiedereingliederungsmaßnahme vom Arbeitsamt abbricht, weil sie derartige Demütigungen nicht erträgt, steht ihr das Wasser bis zum Hals, Tendenz steigend. Doch nach außen hin gibt sie weiter vor, es sei alles in Ordnung. In dieser Situation ist es umso verhängnisvoller, daß es außerhalb der Arbeitswelt anscheinend kein Leben für die Alleinkämpferin gibt. Ihr Freundes- oder besser gesagt Bekanntenkreis rekrutiert sich aus ehemaligen Arbeitskollegen, die kein Gespür für ihre Situation aufbringen. Dabei versucht Alice doch alles, um dazuzugehören, aber sie ist immer einen Tick zu unangepaßt, zu tapsig, zu irgendsonstwas, um in den Klub der regulär arbeitenden Bevölkerung aufgenommen zu werden.

Als wäre das alles nicht schon schwer genug, kämpft unsere Heldin ständig mit der Tücke der Objekte: dem schwankenden WLAN-Empfang, ihrem kaputten Bürostuhl, einem abgebrochenen Zahn und mit ihren fusseligen Haaren sowieso. Ständig der nächsten Chance nachhetzend, die unbedingt die erhoffte Schicksalswende bringen muß.

REISE NACH JERUSALEM beschreibt die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit mit großer Genauigkeit. Doch statt Tristesse zu verbreiten, kitzelt der Flm das tragikomische Potential dieser Situation heraus. Die seit zehn Jahren in Berlin lebende, italienische Regisseurin Lucia Chiarla weiß augenscheinlich, wovon sie erzählt. Da stimmt einfach alles – von den in kaltem Weiß gehaltenen Räumen des Bewerbungskurses, den Floskeln im Einstellungsgespräch bis hin zum schweren Seufzen der Tante vom Amt. Generell wurde auf Bildgestaltung und Soundtrack eine geradezu liebevolle Sorgfalt verwendet. Jahrelang haben Chiarla und Hauptdarstellerin Eva Löbau für ihr Projekt gekämpft und es am Ende ohne Filmförderung mit niedrigem Budget und viel Idealismus durchgezogen. 

Überhaupt Eva Löbau: Sie ist schlicht eine Wucht! Ihre Figur ist immer einen Tick neben der Spur, doch Löbau stellt sie niemals bloß. Gekonnt balanciert ihre Darstellung zwischen Peinlichkeit und Verletzlichkeit, Verzweiflungsmut und Resignation. Man muß diese Alice einfach mögen, selbst wenn sie einem Kind die Kekse klaut.

[ Dörthe Gromes ]