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Sade

Der Meister ist müde

In einem abseits gelegenen Landhaus mit Gartenanlage, das offiziell als psychiatrische Anstalt fungiert, hat sich in den Wirren der Revolution eine morbide Gesellschaft eingefunden: zweitklassige Adlige, zu unbekannt, um Opfer der Guillotine zu werden, aber reich genug, um sich einige Vergünstigungen zu erkaufen.

Sade wird nach Fürsprache des Verehrers seiner Geliebten vom Gefängnis in jene Einrichtung verlegt, wo er allerdings mit seiner liberalen und lebensbejahenden Einstellung sofort zum Außenseiter in der defätistischen Gemeinschaft wird. Als solcher zieht er das Interesse der erblühenden Emilie auf sich, deren Eltern, die noch immer die Rituale früherer Standeswürde zelebrieren, ihr keine Orientierung sein können. Die Friedlichkeit der entlegenen Anlage endet jäh, als im Garten Massengräber für die auf Robbespierres Geheiß Enthaupteten ausgehoben werden. Leichengeruch durchzieht das Haus und Sade erfährt, daß auch er unwiderruflich auf der Liste der zu Exekutierenden steht. Er schlägt das Angebot seiner Geliebten zurFlucht aus und inszeniert statt dessen die Defloration von Emilie durch den Gärtner.

Der Film verzichtet auf orgienhafte Sexszenen, welche der Zuschauer mit dem Namen de Sade assoziiert. Statt dessen tauchen seine Schriften und Phantasien nur am Rande auf; es wird das Bild eines erschöpften Beobachters gezeigt, der seine Gedanken weder ausleben noch ablegen kann. In dieser Situation verharrt er vom Anfang bis zum Ende des Films, obwohl sich zahlreiche Möglichkeiten bieten, sich für das eine oder andere zu entscheiden: Sei es im Privaten, wo die Beziehung zu seiner Geliebten und ihrem Kind ebenso farblos bleibt wie seine Haltung zur jungen Emilie, sei es in der Anstalt, wo er weder offen rebelliert noch sich den anderen anschließt oder eben in Bezug auf seine Weltanschauung, einem trivialen Naturmystizismus, den er ohne Überzeugungskraft vertritt.

Im Mittelpunkt des Films steht die unbewegliche Hülle Sade, an der sich die Leidenschaften anderer entzünden. Diese Nebenfiguren, wie Emilie, die vom schüchternen Adelszögling zur selbst- und sexbewußten Frau wird, oder der hitzige Verehrer seiner Geliebten, der nicht begreifen kann, daß seine Angebetete einen Pornographen liebt, sind detail- und konfliktreich gezeichnet. Durch die entwicklungslose Hauptfigur wird allerdings auch diesem dramatischen Umfeld teilweise die Spannung genommen.

Originaltitel: SADE

F 2000, 100 min
Verleih: Prokino

Genre: Biographie, Erotik

Darsteller: Daniel Auteuil, Marianne Denicourt

Regie: Benoit Jacquot

Kinostart: 15.03.01

[ Sarah Schipschack ]