Originaltitel: SAINT RALPH

Kanada 2004, 98 min
Verleih: Concorde

Genre: Tragikomödie, Erwachsenwerden

Darsteller: Adam Butcher, Jennifer Tilly, Campbell Scott, Gordon Pinsent

Regie: Michael McGowan

Kinostart: 01.12.05

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Saint Ralph

Wundervoll, aufwühlend und komisch - ein Junge wehrt sich gegen Vorbestimmtes

Saint Ralph? Ralph schon, aber natürlich ist der Knabe alles andere als ein Heiliger. Er raucht dreist auf dem Schulhof, wichst im Freibad - unauffällig, wie er meint! - und Autoritäten sind für ihn faltig gewordene Fremdwörter auf zwei Beinen. Wie’s eben 14jährige so sehen, das galt auch im Jahr 1953 ... Und Ralph ist ein sympathisches Musterexemplar dieser schwer zu bändigenden Gattung: ein echter Rotzlöffel mit großen Ohren, strahlenden Augen, schrägem Zahnstand und so janz frechen Sommersprossen. Pater Fitzpatrick, das strenge Oberhaupt der katholischen Schule, hat für Verderbtheiten jedweder Couleur keinerlei Verständnis. Er hat den Jungen eh schon lange auf dem Kieker. Ralphs immer wiederkehrende Beichten, in denen sich ohnehin alles um Mutter Faust und ihre fünf Töchter dreht, liegen ihm stets bleischwer im Magen. Rauswerfen darf er den Jungen dennoch nicht, denn Ralph hat’s nicht so leicht im Leben: der Vater tot, die Mutter im Koma.

Blasphemisch schimpft Fitzpatrick die Äußerungen des Zöglings, der fest daran glaubt, nur ein Wunder, ein richtiges Wunder, könne Mama helfen. Und das Unmögliche anschubsen, das muß der Junge schon selbst. Zum Beispiel als Sieger des großen Bostoner Marathons durchs Ziel zu laufen. Einer, der ihm zur Seite steht, natürlich auch schwer zum Mißfallen des reaktionären Alten, ist der so gar nicht verknöcherte Pater Hibbert. Er wird den Jungen trainieren ...

Britisch, schießt einem zuerst in den Kopf, denn diese wunderbar erzählte und ohne falschen Kitsch berührende Geschichte hätte aus den kürzlich noch so glanzvollen Zeiten des new british cinema stammen können. Tut’s aber nicht - ein kleiner, mit Witz und sprödem Charme erzählter Befreiungsschlag aus Kanada also. Befreiung aus dem erzreligiösen Mief der 50er, aus den Fesseln der Pubertät und den Gemeinheiten, die das Leben sich für Ralph so ausgedacht hat. Dieses ungestüme Rauskämpfen, wild getrieben vom verzweifelten Wunsch, doch bitte kein Waisenkind zu werden, diese gerade zum Ende des Marathons so fesselnden Momente, werden von einem Jungmimen gestützt, den man im Auge behalten muß.

Adam Butcher spielt diesen klapprig-dürren Kerl mit einer Selbstverständlichkeit, einer forschen Natürlichkeit, daß man fast versucht ist, an die Einmischung im Ablauf von Wundern zu glauben, und so, daß man immer des Knaben Angst vor dem Verlust der geliebten Mutter in der eigenen Brust spürt. Und dann darf am Ende ruhig auch die Musik pompöser werden. (Film-)Wunder gibt es immer wieder? Die Ebstein sollte doch tatsächlich recht behalten ...

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.