Originaltitel: BREATHE

GB 2017, 118 min
FSK 12
Verleih: SquareOne/Universum

Genre: Drama, Biographie

Darsteller: Andrew Garfield, Claire Foy, Hugh Bonneville, Tom Hollander

Regie: Andy Serkis

Kinostart: 19.04.18

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Solange ich atme

Ein junges Leben als Härtetest

Keine Frage, der deutsche Titel mutet erst einmal ziemlich schrecklich an, wie ein Bild gewordener Schundtraum aus dem Reich der Phantasmen einer Danielle Steel. Und wenn man ein wenig vorgreift und verrät, daß es mal wieder Afrika sein muß, welches für Ausbruch, Liebe und Drama herhalten wird, dann winkt man schnell so ein wenig überheblich ab und übern Tanja-Blixen-Gartenzaun. Das wäre jedoch ungerecht Andy Serkis’ Regiedebüt gegenüber, denn der erste Film des bekannten Schauspielers ist ein feines, ruhig erzähltes Werk über die ganz großen Katastrophen im Leben und die wohl beste Rüstung dagegen: die Liebe! Trotz Afrika ganz ohne Kitsch und falsches Sentiment, dafür tief berührend, eben ohne jegliches Tränenkalkül und Schluchzmanipulation.

Die sich tatsächlich zugetragene Lebensgeschichte von Robin Cavendish ist an sich schnell umrissen: Der junge Kerl erkennt sie sofort, die ganz große Liebe, ein interessierter Blick, ein frecher Witz und ein forscher Schritt. Beim Cricket macht er Diana Avancen, aus den beiden wird ein Paar, auf den schwarzen Kontinent verschlägt es sie in den 50ern, ein Kind wird geboren und Robin unheilbar krank. Eine bösartige Infektion, Kinderlähmung – mit 28 Jahren! Die Krankheit macht aus dem charmanten Mann mit dem Frecher-Junge-Blick einen halsabwärts komplett gelähmten Krüppel, nicht einmal selbständig atmen kann er mehr. Aus einem selbstbewußten, selbstbestimmenden und das Leben bisher leicht nehmenden Mann wird ein Pflegefall, die noch junge Liebe zum Härtetest, das verbleibende Quentchen Lebensmut zum alles entscheidenden Ausschlag auf der Waagschale.

Wie schnell hätte man ins Larmoyante geraten, das Publikum um kumpelhaftes Mitleid bitten und der Geschichte damit Größe und Wahrhaftigkeit nehmen können, doch Serkis umschifft diese Klippen ganz fabelhaft. Er erzählt in aller gebührenden Empathie ruhig und ohne Ausschmückung von intensivster Verzweiflung, von einem bitteren Schicksal, das ohnehin keiner Aufmotzung bedarf, von allzu verständlicher Lebensmüdigkeit – und, wie gesagt, von einer unfaßbar großen, unbeirrbaren Liebe. Denn es ist vor allem Diana, die Robin im Leben hält, sie ist es, der es gelingt, daß Robins Humor doch nicht versiegt, sie wird diejenige sein, die sich mit aller Kraft den technischen Engpässen der Zeit widersetzt und an den medizinischen Fortschritt zugleich appelliert.

Dianas Liebe ist das Kernstück des Films, der schon deshalb ein wenig an DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT erinnert. Serkis’ Film steht dennoch für sich, der behutsamen Erzählung und vor allem dem famosen Darsteller Andrew Garfield gelingen ein in keinem Moment aufdringlicher Film über das größtmögliche Maß an menschlicher Selbstbehauptung.

[ Michel Eckhardt ]