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Standing In The Shadows Of Motown

Helden im Hintergrund

Detroit träumte.Vom Ende des Unrechts, einer besseren Welt. Ob Bürgerrechtsbewegungen oder Proteste gegen den Krieg – ab 1959 erhielten sie Unterstützung in kreativer Form: vom epochalen Motown-Sound. Künstler wie Stevie Wonder und Diana Ross kennt jeder, die Menschen hinter diesen Sängern niemand. Wer stand an den Keyboards, saß am Schlagzeug, spielte Gitarre? Es waren immer die gleichen Leute. Sie nannten sich The Funk Brothers, und STANDING IN THE SHADOWS OF MOTOWN tritt an, ihnen endlich das verdiente Denkmal zu setzen.

Detroit kam erneut zusammen. Im Jahr 2000 trafen die noch lebenden Funk Brothers zum Reunion-Konzert aufeinander. Mitschnitte des Auftritts bilden das wild pulsierende Herz des Films. Wie schon im gesamten Verlauf ihrer Karriere blieben die gleichzeitig Weltberühmten und völlig Namenlosen bescheiden im Hintergrund, gaben dafür jungen Talenten Gelegenheit, meisterhafte Klassiker neu zu vertonen. Auch wenn nicht jede Interpretation gelang: Man entgeht unmöglich einer Ganzkörper-Gänsehaut, wenn sich beispielsweise Ben Harper mit "I Heard It Through The Grapevine" vor der Legende Marvin Gaye verbeugt. Da rasen Funken durch den Kinosaal, in der Luft knistert helle Magie, und die Dokumentation wird zum Feel-Good-Movie.

Und Detroit erinnerte sich. Auf den ersten Blick eint die hier verbundenen Medien Film bzw. Musik nur das Thema "Motown" – doch beide haben darüber hinaus eine wirkliche Seele. In eingestreuten Gesprächspassagen plaudern die Funk Brothers niemals aufdringlich überheblich über alte Zeiten, geben Anekdoten zum Besten, ehren verstorbene Kollegen und setzen selbstironische Glanzpunkte. Egal, ob dies für den Zuschauer witzig, zutiefst melancholisch oder einfach nur informativ ist – niemals verschwindet das enthusiastische Leuchten aus den Augen der Musiker. Umso bedauerlicher, daß man es zu selten sehen darf, weil sich nachgestellte Spielszenen zur Illustration der Geschichten als unnötiger Firlefanz erweisen.

Aber was soll’s. Detroit verzeiht, lächelt mild – und träumt weiter.

Originaltitel: STANDING IN THE SHADOWS OF MOTOWN

USA 2002, 108 min
Verleih: Arsenal

Genre: Dokumentation, Musik

Darsteller: Alex Alexander, Gary Bosek, Donald Becks, Jr., Michael Ellison

Regie: Paul Justman

Kinostart: 03.07.03

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...