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Tears Of April

Die Liebe in Zeiten des Krieges

1918: Finnland im Bürgerkriegsfieber. Wie beim Nachbarn Rußland liefern sich Rot und Weiß blutige Kämpfe. Rotgardistin Miina gerät dabei mit ihren Genossinnen in einen Hinterhalt. Die wenigen Frauen, die das Gefecht mit den Weißen überleben, werden von diesen gefangen genommen, in ein Lager gepfercht, vergewaltigt und schließlich auf freiem Feld „bei der Flucht“ erschossen.

TEARS OF APRIL beginnt gnadenlos. Regisseur Aku Louhimies blickt auf das Kriegsgrauen als stiller Beobachter, kühler Chronist. Und als stilbewußter Erzähler: Einfach und eindringlich ist das, wie Louhimies seine Heldin Miina, die die Exekution wie durch ein Wunder überlebt, von den Toten auferstehen läßt. Nur um sie vom idealistischen, jungen Weißgardisten Harjula erneut gefangen nehmen zu lassen. Vor ein anständiges Feldgericht im abgeschiedenen Küstenstädtchen will Harjula die Frau bringen. Eine weite Reise, auf der viel geschieht. Und die an ihrem vermeintlichen Ziel noch lange nicht zu Ende ist. Denn die interessanteste Figur spart der Film sich eine ganze Weile auf: Richter Hallenberg. Der Mann, der über das Schicksal ­Miinas entscheiden soll. Der Offizier, der einst ein Schriftsteller war. Der Humanist, der jetzt Liquidierungen im Akkord durchführen läßt. Der Ästhet im Kriegsgrauen. Zwischen ihm, Miina und Harjula entspinnt sich eine seltsame Ménage à trois. Da vibriert erotische Anziehung und kühles Kalkül, da gehen selbstquälerisch ­Liebessehnsucht und Überlebenswillen um – und die allgegenwärtige Gewalt. Der allgegenwärtige Tod.

TEARS OF APRIL entstand nach dem Roman „Die Unbeugsame“ von Leena Lander. Und allein schon daran, welchen Titel Louhimies für seine Verfilmung wählte, erkennt man die unterschiedlichen Fokussierungen zwischen Vorlage und Adaption. Louhimies hat ein so luzides, so gleichzeitig klar und rätselhaft scheinendes Kinostück geliefert, wie man es nur selten zu sehen bekommt. TEARS OF APRIL ist kein Meisterwerk im Sinne irgendeiner Vollkommenheit – aber ein Film mit einer unglaublichen Suggestionskraft. Mit einer Spannung aus der Stille heraus. Poetisch und brutal. Man will da gar nicht die Seelendrama-Klischees des skandinavischen Kinos ausgraben. Aber diese gespenstische Atmosphäre, dieser knapp im Zaum gehaltene Wahn, wenn da Hallenberg trunken Beethoven hört und den „Erlkönig“ rezitiert, bevor er wieder Todesurteile unterschreibt. Und diese Gesichter, an denen man sich nicht satt sehen kann, die man nicht mehr vergißt.

Originaltitel: KÄSKY

Finnland/Griechenland/D 2008, 109 min
Verleih: Venusfilm

Genre: Drama, Polit

Darsteller: Samuli Vauramo, Miina Malin, Eemeli Louhimies

Regie: Aku Louhimies

Kinostart: 17.09.09

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.