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Twentynine Palms

Vom hereinbrechenden Horror in einer Wüste ohne Wiederkehr

Schier endlos erscheint die Fahrt der beiden Wageninsassen schon nach wenigen Filmminuten. Die Kamera verweilt geduldig beim Blick auf die Straße, mal vom Fond des Autos aus, mal vom Fahrersitz. Nur flüchtig streift sie die Gesichter der Reisenden, die in Schweigen verharren, während das Radio läuft. Links und rechts des Asphalts sind Bilder in Ausschnitten zu erhaschen, von staubigem Land und flirrender Luft. Hier und da zerschneiden Hochspannungsleitungen das Blau des Himmels. Die Szenerie ist das Nirgendwo.

Schließlich ist es ein kalifornisches Wüstenkaff, welches dem Film seinen Titel gibt und den Reisenden einen Ort des Aufenthalts. Hier, in Twentynine Palms, in einem Motel direkt an der Straße gelegen, beziehen David und Katia von Los Angeles kommend Quartier. Der Fotograf, begleitet von seiner Geliebten, ist auf Motivsuche für ein Shooting, das Motel dient als Basislager für die täglichen Streifzüge auf einsamen Pisten der Umgebung.

Mit einer Ausgangskonstellation voller Andeutungen schickt Regisseur Bruno Dumont seine Protagonisten und den Zuschauer auf Wüstentour. Zuerst ist eine Labilität der Frau zu erahnen, kurz darauf wird die mangelnde Fähigkeit beider zur Kommunikation entdeckt. Sie spricht Russisch, er Englisch und beide beherrschen ein nur rudimentäres Französisch. Ihre Verständigungssprache ist dann auch überwiegend nonverbaler Natur. Immer neue Auseinandersetzungen des Paares münden in mechanisch vollzogenem Sex, der als Versuch der Selbstvergewisserung zum Scheitern verurteilt ist. Allein aus diesem Rhythmus von Streit und sexuellem Akt, scheint der Film Struktur zu beziehen. Die Erzählweise indessen bleibt karg und erzwingt durch die Auslassung Reflexionen.

Die am Tage durchfahrene, einsame Wüste spiegelt das Innere der Protagonisten, und die allabendliche Rückkehr in die so genannte Zivilisation nimmt den Zustand eines ganzen Landes in Blick. Auch jenseits der Einsamkeit der Wüste, ist das Paar hier allein, wird alles Fremde zur potentiellen Gefahr. Dabei wirkt der Ort seltsam entseelt: ein Supermarkt ist voller Produkte, doch ohne Kunden, die Scheiben der fahrenden Autos lassen das Innere im Dunkel.

Die weitestgehende Ereignislosigkeit der Handlung fängt die Kamera in statischen und fast teilnahmslos wirkenden Einstellungen ein. Gerade dieser andauernde Blick dorthin, wo Nichts ist, evoziert die immer bedeutsamer werdende Frage danach, was jenseits davon existiert. Mit Andeutungen füttert die Regie eine Ahnung, die auf das Implodieren der Beziehung gerichtet ist. So spricht David plötzlich davon, er könne Katia nicht verstehen (worauf sie im Festhalten an die Existenz der Liebe mit "I love You" antwortet). Andere Szenen zeigen ihre Eifersucht oder einen Fluchtversuch vor David. Spätestens als sich die junge Frau vor den Blicken der Autofahrer versteckt, ist klar, daß sich die bevorstehende Explosion nicht an der schwierigen Beziehung des Paares entzünden wird. Und so erweist sich das unvermutete Auftauchen eines Vans inmitten der Wüste im Rückblick nur als einer von vielen Hinweisen - auf den von außen hereinbrechenden Horror.

Wer glaubt, mit dem abrupten Ende des sperrigen Liebesdramas ende auch der Film, liegt falsch. Dumont, dem es hier gelingt, den Zuschauer trotz Abwesenheit eines klaren Plots und trotz der Distanz der Kamera zu binden, zieht die Schlinge weiter zu. Selbst als der Horror Gestalt annimmt, ändern sich Filmsprache und Haltung der Kamera zum Geschehen nicht. Die erzielte Wirkung, das Gefühl von Unausweichlichkeit, ist auch ein Ergebnis dieses unkonventionellen, filmischen Experiments. TWENTYNINE PALMS ist in vielerlei Hinsicht diskutabel, ein Entrinnen jedoch gibt es nicht.

Originaltitel: TWENTYNINE PALMS

USA/F 2003, 119 min
Verleih: Second Order

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: David Wissak, Yekaterina Golubova

Regie: Bruno Dumont

Kinostart: 31.05.07

[ Jane Wegwitz ]