2 Bewertungen

Über uns das All

Von Verlust und Neuanfang

Martha und Paul haben sich eingerichtet im Leben. Zwei attraktive, beruflich erfolgreiche Mittdreißiger in Köln, die nun unter der Sonne von Marseille einen neuen Lebensabschnitt beginnen wollen. Paul soll schon mal vorfahren, Martha will in ein paar Tagen nachkommen. Doch bevor Martha die Reise antreten kann, klingeln plötzlich zwei Polizistinnen an ihrer Tür und überbringen die Hiobsbotschaft: Paul hat sich auf einem Parkplatz in Marseille das Leben genommen. Martha erstarrt, wehrt ab, leugnet. Erledigt mechanisch die Beerdigungsformalitäten. Und fragt sich immer wieder: Wer war eigentlich der Mensch, mit dem ich jahrelang zusammengelebt habe? Sie beginnt, den Paul zu suchen, den sie offenbar nicht kannte, und der sich über Jahre eine verzweifelte Scheinexistenz aufgebaut hatte. Auf ihrer Suche begegnet Martha unverhofft Alexander, der sie spontan an ihren toten Mann erinnert.

All jenen, denen diese Inhaltsangabe zusammen mit dem etwas prätentiös geratenen Titel arg nach Fernsehschmonzette klingt, sei hier Entwarnung gegeben: Regisseur Jan Schomburg gelingt mit ÜBER UNS DAS ALL ein intelligenter und berührender Film über Verlust, Neuanfang und die nicht zu umgehenden Projektionen der Liebe. „Ich liebe den Menschen, den du aus mir machst“, sagt Alexander irgendwann zu Martha. Liebe als gegenseitige Übereinkunft der Partner, derjenige zu sein, den der jeweils andere sehen will. Driften Selbst- und Fremdbild irgendwann zu sehr auseinander, bleibt der Liebe kein Raum mehr – oder gar dem Leben wie im Fall von Paul.

Martha hält sich nicht an irgendwelche Trauerkonventionen. Die in ihrer Direktheit und Wandelbarkeit immer wieder frappierende Frau – dargestellt von einer fantastischen Sandra Hüller – stürzt sich wenige Wochen nach Pauls Tod auf Alexander, weil sie den Verlust ihres Mannes nicht erträgt. Kann das gutgehen?, fragt man sich. Es gelingt, weil Schomburg seine Figuren nicht in Rollenschemata und Moralvorgaben einzwängt, weil er sie offen sein läßt für die Wünsche und Verletzungen im Anderen.

Zugleich vermeidet er die im deutschen Drama verbreitete Angewohnheit, alles haarklein erklären zu müssen, und vertraut stattdessen auf die darstellerischen Qualitäten seines Ensembles, dessen nuancenreiches Spiel ÜBER UNS DAS ALL zu einem fesselnden Film macht.

D 2011, 88 min
FSK 12
Verleih: Real Fiction

Genre: Drama

Darsteller: Sandra Hüller, Georg Friedrich, Felix Knopp, Kathrin Wehlisch

Regie: Jan Schomburg

Kinostart: 15.09.11

[ Dörthe Gromes ]