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Wholetrain

Sprüh’ Dir doch die Welt ...

... widewidewie sie Dir gefällt. Der adoleszente Underground von Deutschland hat ein Vermittlungsproblem. Teenager-Aufbegehren mischt sich mit einer wohlfeilen Anti-Attitüde, die Elternhaus, Schule und Polizei die Stirn bietet, ohne im Übrigen jemanden aufzuregen. Das Graffiti, so viel wird in diesem Film deutlich, ist eine der wenigen Möglichkeiten, um dem bürgerlichen Ordnungsbegriff das vielleicht letzte veritable Feindbild zu liefern. Traurig genug.

Florian Gaag, junger Regie-Debütant mit Wurzeln in der Münchener Sprayer-Szene, verrät sich dabei in vielerlei Hinsicht als Kind einer Generation, in der Style alles ist. Es geht um Crossing, Tags, echte Burner und den titelgebenden Wholetrain, eine illegale Ganzkörperbemalung für unscheinbare U-Bahn-Züge. Wer ein einschlägiges Wörterbuch zur Hand hat, wird sich leidlich durch die Begriffswelt der Figuren schlagen können. Wer aber nach einem subversiven Lebensgefühl fahndet, wird weitersuchen müssen.

David, Tino und Elyas, Kern einer großstädtischen Sprühdosencrew, stehen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Während der eine kurz davor ist, dem Druck der Staatsgewalt Richtung Kunstakademie aus dem Weg zu gehen, und der andere mit allen Mitteln eine Lehrstelle ausfüllt, die jedem Teenagertraum vom großen Glück die Flausen austreiben könnte, hütet der Dritte seinen ungeplanten Nachwuchs, ohne auch nur ein Stück vom nächtlichen Abenteurerleben aufzugeben.

BEAT STREET, die Mutter aller Graffiti-Dramen, erweist sich in Pathos und Straßentauglichkeit einmal mehr als Gottvater des Genres. In der bundesdeutschen Interpretation, angereichert mit Dokucharme und Jugendsprache, wird allerdings aus dem großen Aufbruch eine mittelschwere Ordnungswidrigkeit. Gaags eigentliches Verdienst, eine eigengesetzliche Welt zwischen Schule, Bahnhof und Elternhaus zu porträtieren, verliert sich im Klein-Klein von Machoposen und Solidaritätsgeschwafel. Ein Zuhause hat hier jeder, aber keine soziale Heimat. Das Undergroundfeeling, das vielgelobte, muß man sich denken. Und wem dazu die Phantasie fehlt, der hat halt Pech gehabt.

D/Polen 2005, 83 min
Verleih: Movienet

Genre: Drama, Erwachsenwerden

Darsteller: Mike Adler, Florian Renner, Elyas M’Barek, Jacob Matschenz, Alexander Held

Stab:
Regie: Florian Gaag
Drehbuch: Florian Gaag
Musik: Florian Gaag

Kinostart: 30.11.06

[ Sylvia Görke ]