Bild: IM SCHATTEN DER FRAUEN

21. Französische Filmtage

18.11.–25.11.2015

Passage, Schaubühne Lindenfels

Zerrissene Gefühle, geehrte Künstler und Komik im Kampf gegen das Koma

Ein Blick auf die 21. Französischen Filmtage

Jean-Christophe Tailpied, neuer Direktor des Institut français Leipzig, wirkte auf der Pressekonferenz etwas enttäuscht: „Selten hat man die Möglichkeit, französischsprachige Filme auch in französischer Sprache zu sehen!“ Dies zu ändern, daran arbeiten übers Jahr die hiesigen Programmkinos und regelmäßig natürlich die Französischen Filmtage, welche ihr Programm im OmU präsentieren. Spannend ist es sowieso.

Die Eröffnung obliegt diesmal der Schaubühne Lindenfels, dafür gewählt wurde IM SCHATTEN DER FRAUEN, ein – gemessen an der Laufzeit – kurzer, knackiger Liebesreigen, in dem eine Paarbeziehung erst zur Ménage-à-trois gerät und sich dann als Ménage-à-quatre wiederfindet, was selbstverständlich jede Menge emotionalen Sprengstoff birgt. Überhaupt stehen Gefühle oft im Mittelpunkt der Schaubühne-Premieren: Unter anderem zeigt ALLE KATZEN SIND GRAU, wie sich eine junge Frau unwissentlich in den eigenen Vater verliebt, und folgt FIDELIO einer weiteren Dame zwischen zwei Männern. Die Passage mag’s dagegen heiter, gleich sieben brandneue Komödien stehen zur Wahl, beispielsweise UNTER FREUNDEN, Gewinner des Publikumspreises der diesjährigen Filmkunstmesse – hier mischt natürlich ebenfalls die holde Weiblichkeit einen bis eben fest verbandelten Männerfreundschaftskreis kräftig auf. Außerdem zeigt DIE FAST PERFEKTE WELT DER PAULINE, wie die hinreißende Isabelle Carré einen Fremden buchstäblich ins Koma stürzt, aber schuldbewußt alles unternimmt, um ihn wieder zu erwecken. Und NUR FLIEGEN IST SCHÖNER begleitet Michel dabei, sein Leben umzukrempeln, gegen den Willen einer garstigen Gattin.

Insgesamt elf teils weit vor Bundesstart zu sehende Previews sind in der Passage am Start, erwähnt seien noch VALLEY OF LOVE mit Isabelle Huppert und Gérard Depardieu als auf ungewöhnlichem Weg den Selbstmord des Sohnes verarbeitendes Ehepaar sowie DÄMONEN UND WUNDER, die Geschichte eines ehemaligen Freiheitskämpfers, welcher vor dem Bürgerkrieg von Sri Lanka nach Frankreich flieht und versucht, dort eine (falsche) Existenz aufzubauen.

Wenden wir den Blick zurück zur Schaubühne, fällt eine Louis-Malle-Retrospektive ins Auge. Tatsächlich widmet sich das Haus hingebungsvoll dem genialen Regisseur und zeigt Klassiker wie FAHRSTUHL ZUM SCHAFOTT, HERZFLIMMERN oder DIE LIEBENDEN erneut auf der Leinwand – wohin sie ohne Zweifel gehören. Ebenfalls zu empfehlen: das „Die Existenz der Haut“ benannte Hörtheater. Bei freiem Eintritt und inklusive Gespräch geht es darum, wie Schriftstellerin Marguerite Duras den zerstörenden Einfluß des Zweiten Weltkrieges auf ihr Leben schilderte.

Hingegen würdigt Kristin Klemann von der Passage Schauspieler Michel Piccoli und sein Œuvre als „festen Bestandteil der französischen Kultur“, weshalb zum 90. Geburtstag des Künstlers eine Hommage lockt. Zu sehen sind vier repräsentative Filme aus verschiedenen Schaffensperioden, konkret BELLE DE JOUR, DIE SPAZIERGÄNGERIN VON SANS-SOUCI (Romy Schneiders letzter Auftritt), DIE VERACHTUNG sowie ALLES BESTENS (WIR VERSCHWINDEN). Allesamt Meisterwerke!

Und um wirklich sämtliche Altersgruppen anzulocken, findet in beiden Spielstätten wieder das Jugendfilmfestival Cinéfête statt, das erstmals auch eine Dokumentation präsentiert: LA COUR DE BABEL beobachtet junge Einwanderer beim Lernen in einer Pariser Schulklasse. Insgesamt dürfte also nicht nur Monsieur Tailpied begeistert sein!

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...