Editorial 09/23

[ 28.08.2023 ] Die ehrwürdige WHO wird in Kürze eine neue Auffälligkeit in ihre Entitätenliste aufnehmen, Es handelt sich dabei um eine besonders heimtückische Form der Wirklichkeitsverweigerung, einhergehend mit einer Persönlichkeitsfacette, wonach dem Betroffenen trotz akuter Zerstörungswut tatsächlich jegliches Hadern, Zaudern oder Bedauern ob des eigenen Tuns abgeht. Wirklich beklagenswert, wer davon betroffen ist – vom „Habeck-Syndrom.“

Ich persönlich schaue ja auf derartige Wesenszüge fast ein wenig neid- bis ehrfurchtsvoll, ist es mir doch gerade als Filmkritiker total fremd, eben nicht zu hadern, zu zaudern, zu zögern, sich selbst in Zweifel zu ziehen, zumal dann, wenn man sowieso nicht an Sinn und Möglichkeit einer rein objektiven Filmkritik glaubt. Für mich ist das Schreiben über Film ein stetes Ringen um jedes Wort und außerdem ein im höchsten Maße subjektiv gefärbter Prozeß, denn der Filmkritiker bringt neben cineastischem Wissen und rhetorischer Kompetenz im besten Fall jede Menge Empathie mit. Und Leidenschaft. Und Liebe! Und eben wegen der Leidenschaft fürs und der Liebe zum Kino wird mancher Film kräftiger angepackt als eben die gelungeneren. Meines Erachtens gehört Bedauern durchaus auch zu den Fähigkeiten eines seriösen Filmrezensenten, dahingehend, manchen Film und seine Macher gewiß zu hart in die Mangel genommen zu haben. Doch das weiß man meist erst hinterher. Und lernt dazu.

Nun, der Namensgeber des neuen WHO-Eintrags wähnt sich beherzt fehlerfrei, regelrecht unantastbar, geradezu in der Form seines Lebens, immer zu 100 Prozent wissend, allein das Richtige zu tun mit dieser Anfälligkeit zum Null-Hadern. Filmreif, meinen Sie? In der Tat, nur wer soll derart Abgründiges verfilmen? Stanley Kubrick ist selbst für KI-Zeiten dann doch zu lange tot und hat ja dem Irrgang des Lehrers, Hausmeisters und Schriftstellers (!) Jack Torrance bereits in SHINING ein filmisches Denkmal gesetzt, Terry Gilliam ließ in FEAR AND LOATHING IN LAS VEGAS ebenfalls einen Schriftsteller, das Alter Ego Hunter S. Thompsons, durch etwaige Substanzen den Verstand verlieren, und auf deutscher Seite fiele mir eigentlich nur Oskar Roehler ein, der ja selber Schriftsteller ist und sich von Haus aus mit dem Wahnsinn der schreibenden Zunft auskennt.

Roehler könnte dem wandelbaren Oliver Masucci großartige Szenen des ganz normalen Durchdrehens und der Selbstüberschätzung auf dem Weg vom Kinderbuchautor zum Politiker und zurück ans Revers heften. Das Ende habe ich bereits vor Augen: Aufnahme von hinten, ein vom Leben gekrümmter Mann sitzt in einem kargen Zimmer, mit einem berufsjugendlichen Hoodie bekleidet, den Baustellenhelm auf dem Kopf, an einer Fortsetzung der Vorlesegeschichten „Kleine Helden, große Abenteuer“ schreibend ...

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.