Editorial 10/23

[ 29.08.2023 ] Stellen Sie sich folgendes vor: Sie sitzen im Kino, haben sich für einen saftigeren Action-Film entschieden, und mitten im Geschehen wird das Bild eingefroren, ploppt ein Fensterchen auf, in welchem Sie vor dem nahenden Geschehen gewarnt werden. Sei es beispielhaft, weil es in Bild und Ton um den rüden, im echten Leben gewiß unangemessenen Umgang mit Frauen, Schwarzen oder einem Vertreter einer sexuellen Minderheit geht. Undenkbar, daß das im Kino passiert, vermuten Sie. Ich habe da Zweifel.

Im Fernsehen wird der Zuschauer bereits seit längerem an die Hand genommen, DEFA-Klassiker wie DIE GESCHICHTE VOM KLEINEN MUCK müssen zwingend getriggert werden, Gojko Miti?s Rolle als DDR-Chefindianer wird in Frage gestellt, und, um bei den Ur-Einwohnern Amerikas zu bleiben, unsere Lieblingsrothaut Winnetou ist derzeit mindestens umstritten. Der ÖRR entblödet sich nicht, harmlose Udo-Jürgens-Schlager textlich zu verfremden und aktuell allerhand Warnhinweise beim Betreten der ARD-Mediathek auszusprechen. Größte Vorsicht ist nun geboten, wer sich aufs Minenfeld alter Harald-Schmidt-Sendungen wagt, gefährlich wird auch die Sichtung noch älterer Otto-Waalkes-Blödelauftritte, und von steinalten Ekel-Alfred-Äußerungen scheint akute Gefahr für Leib und Seele auszugehen. Ganz im Ernst: Der erwachsene Zuschauer, der sich überhaupt guten Gefühls an diese Sendungen erinnert und aus Nostalgiegründen eine kratzspurige Wiederholung gönnt, der weiß aus eigener Kraft in zeitliche und gesellschaftliche Zusammenhänge einzuordnen. Und von den jungen Zuschauern der Glückskeksgeneration, wenn es denn junge Fernsehzuschauer überhaupt noch gibt, verirrt sich eher keiner auf den medialen Friedhof der öffentlich-rechtlichen Mediatheken. Ich kam kürzlich ins Gespräch mit einem 16jährigen, der meinte nur: „Harald ... wer?“ Also, was soll der Unfug?

Die konstruierte Begebenheit im Kino ist sicher noch Zukunftsduselei, aber vielleicht nicht ganz unberechtigt, wenn man sieht, daß bereits in Buchverlagen „Sensitivity Readers“ beschäftigt werden, um frühzeitig Alarm zu schlagen bei möglicherweise verletzenden, mißverständlichen Formulierungen oder „Mikroaggressionen.“

Man sollte den „Sensitivity Readers“ sagen, daß gerade bei Filmen der härteren Gangart oder selbst in solchen, die einfach vom Leben erzählen, auf das Verpacken des Zuschauers in Schlechtwetterjacken gern verzichtet werden kann. Der Zuschauer ist mündig! Klar, man kann sich eine schönere, in Umgang und Ton anständigere, letztlich wohl doch eher aseptische Welt herbeiwünschen und in den fröhlichsten Farben malen, aber dieses verkrampfte Trimmen auf politische Korrektheit, dieses ideologisch intendierte In-Watte-Bauschen bleibt übergriffiger Unsinn, so funktionieren freie Kunst und freies Leben nicht.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.