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B-Movie

Berlin ruft seine Kinder

Die Straßenzüge grau und runtergerockt, Wohnungen miet- und möbelfrei und die Frisuren fransig mit ultralangem Pony, der die Sicht versperrt: Das ist das West-Berlin der 80er. Die Jugend erobert die Straßen, besetzt Häuser, es wird getanzt, gevögelt und gekokst.

Schon nach wenigen Minuten Film hat man das Gefühl, das Leben damals war durchweg eine wilde Hinterhofparty. Ich-Erzähler in B-MOVIE ist Partydauergast Mark Reeder. Der englische Musiker und Produzent kam 1979 aus Manchester. Obwohl auch dort Punk gerade Hochkonjunktur hatte, reizte den 21jährigen der Sound, der aus Berlin in alle Welt schwappte. Dort wüteten nicht nur die Ärzte, Nena und die Toten Hosen, sondern auch Nick Cave, Blixa Bargeld und der „wahre“ Heino.

Reeder trifft sie alle und tanzt mit ihnen in staubigen Kartoffelkellern, gemeinsam bevölkern sie heruntergekommene Bars. Die Regisseure haben für den Film fast ausschließlich Originalaufnahmen, Tonfetzen und Musik verwendet. Das Ergebnis: eine wilde, zusammengeschnipselte Doku-Collage. Dazu lassen sie Reeder in langen, zum Teil witzigen und reflektierten Monologen von diesem „Sich-Treiben-Lassen“ erzählen, von skurrilen Begegnungen und der Gnadenlosigkeit einer musikalischen Subkultur, die auf gar keinen Fall in den Mainstream abrutschen wollte.

B-MOVIE ist eine Innenansicht. Jörg A. Hoppe gründete 1983 in Westberlin ein MC- und VHS-Kassettenlabel, wurde später Mitbegründer des Musiksenders VIVA. Auch Klaus Maeck gehörte zum Berliner Underground. Nun bringen sie eine Liebeserklärung an eine Stadt ins Kino, die es so längst nicht mehr gibt. Für die, die nicht dabei gewesen sind, sind der Hype und die Faszination für den einen oder anderen abgefuckten Club hin und wieder schwer nachvollziehbar. Vielmehr aber packt einen die Sehnsucht nach einer Zeit, in der kommerzieller Erfolg noch keine übergeordnete Rolle spielte. Das stellt so manche PR-Kampagne aktueller Musiker in Frage, die um Klickzahlen und Konzertbesucher kämpfen. Vielleicht ist uns auch heute einfach dieses Zugehörigkeitsgefühl zu einer Szene abhanden gekommen, zu einer Zeit, die ihre Gegner klar benennt.

Auch davon erzählt der Film. Wie die Punkbewegung endet, und die digitale Welt einschlägt in Form von lauten wummernden Beats. Für Reeder ist Techno „die Fortsetzung des Punk mit elektronischen Mitteln“, doch schnell entwickelt es sich zur Massenhysterie. Ein paar Jahre später pilgern Millionen zur Loveparade, und in Berlin werden plötzlich Häuser saniert.

D 2015, 92 min
FSK 16
Verleih: Interzone

Genre: Dokumentation

Regie: Jörg A. Hoppe, Klaus Maeck, Heiko Lange

Kinostart: 21.05.15

[ Claudia Euen ]