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Böse Zellen

Familienaufstellung für unerfüllte Geister

Der Titel löst Erwartungen aus. Einen Blick in die Abgründe der menschlichen Seele. Ein junger Film aus Österreich, dem Land der schonungslos bösen und kritischen Geister. Dazu von einer vielversprechenden Nachwuchsregisseurin, die mit ihrem letzten, wenn auch nicht allzu bösen Film NORDRAND von Kritik und Publikum gefeiert wurde.

So finster und verstörend (wie etwa Seidls HUNDSTAGE) ist der Film dann aber nicht. Oder doch auf andere Art und Weise. Etwas Ungutes steckt in unseren Genen, das sich in ganz alltäglichen Situationen äußert, mitunter als Vorahnung, als die schwebende Anwesenheit des Todes, mitunter aber auch als plötzliches Einbrechen des Schrecklichen, der persönlichen Katastrophe in unser Leben. Trotz Seitenhiebe auf die unpersönliche Waren- und Medienwelt geht es aber nicht darum, die falschen Verhältnisse oder gar die Menschen zu entlarven. Es geht um die Zusammenhänge. Deshalb werden viele parallele Geschichten erzählt und durch ein unsichtbares Schicksalsband verwoben.

Ausgelöst durch den Unfalltod einer jungen Mutter treten auf verschiedenen Umwegen Menschen unterschiedlichster sozialer Schichten und Altersstufen in Beziehung zu einander. Kalte und unerfüllte Begegnungen: hilfesuchende Blicke, entwürdigende Abhängigkeitsverhältnisse, gefühlloser Sex. In den kleinen Gesten blitzt hier und da ein Hoffnungsfunke auf. Am Ende gilt es für einige der Protagonisten ein Traumhaus freizurubbeln, während anderswo in Eiseskälte die Entscheidung zwischen dem weißen Tod und der Rückkehr ins Leben fällt. Die Dunkelheit des Titels entfaltet sich vor allem in einem umfassenden Gefühl der Leere und der Nähe zum Tode, aufgeladen mit aller Art Mystik. Es ist, als seien alle Personen, Tote wie Lebende, wandelnde Geister in einer unheilvollen Parallelwelt.

Das Erzählprinzip dieser zweistündigen Chronologie des Zufalls gerät dabei zuweilen etwas aus den Fugen: zu viele Geschichten, die nicht alle (gleich) zwingend wirken und motivische Dopplungen aufweisen. Die Stärke des Films liegt dagegen in seiner glasklaren und bewußten Formsprache. Die Figuren und ihre Verhältnisse werden oft mit wenigen Strichen skizziert, ohne daß noch viele Worte nötig wären. Das Rauschen des Alltags, sei es die Musik aus dem Radio oder der vor sich hin brabbelnde Fernseher, alles tritt in Beziehung zu den Personen. Die Bilder bleiben haften und weisen Barbara Albert als eine reflektierte, ambitionierte und selbstsichere Filmemacherin aus.

Österreich/D/CH 2003, 120 min
Verleih: Ventura

Genre: Drama

Darsteller: Kathrin Reseltarits, Ursula Strauss, Georg Friedrich

Regie: Barbara Albert

Kinostart: 01.04.04

[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...