Originaltitel: HUNDRAÅRINGEN SOM KLEV UT GENOM FÖNSTRET OCH FÖRSVANN

S 2013, 114 min
FSK 12
Verleih: Concorde

Genre: Literaturverfilmung, Tragikomödie, Poesie

Darsteller: Robert Gustafsson, Iwar Wiklander, Mia Skäringer, David Wiberg

Regie: Felix Herngren

Kinostart: 20.03.14

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Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Der Greis mit dem historischen Blubb

Wie war das noch mit der Schachtel Pralinen? Nein, die FORREST-GUMP-Hypothese, nach der man im Leben nie wissen könne, was man kriegt, muß hiermit als widerlegt gelten. Denn kaum einem dürfte es gelungen sein, Jonas Jonassons Roman von 2009 zu ignorieren – so fest hatten sich Leserschaft und Kritik dazu entschlossen, ihn zu lieben. Und welchem Regisseur wäre zuzutrauen, der ohnehin seltenen Leidenschaft für zeitgenössische Literatur mit einer allzu fahrlässigen Verfilmung zu begegnen?

Die Wahl fiel auf Felix Herngren, der seiner unauffälligen Filmographie eine ebensolche Romanadaption hinzufügt, über die man sich schlichterdings (oder schlechterdings?) nicht streiten kann. Denn inklusive des herrlich weitschweifigen Titels nahm er mit, was nur ein Kretin im Buch hätte liegen lassen: einen Methusalix, der lediglich in urologischen Angelegenheiten nicht mehr ganz dicht ist. Dessen ungenehmigte Selbstentlassung aus dem Altersheim sich zu einer mit Blut, Dynamit und Elefantenscheiße geschwängerten Provinzräuberpistole entwickelt. Einen Koffer voller Geld, dem eine Bande von Kleinkriminellen nachjagt. Eine phantastische Geschichte des 20. Jahrhunderts, ihrer Diktatoren und eugenischen Reinheitsträume – wenigstens jener, von denen Allan Karlsson aus eigener hundertjähriger Anschauung zu berichten weiß. Und nicht zuletzt einen zwischen burlesk und lakonisch pendelnden Tonfall, auf den man allerdings spätestens seit den Filmen der Fares-Brüder gefaßt sein konnte.

Freilich, Jonasson ist kein Thomas Mann, Herngren kein Visconti und ein rüstiges Unterhaltungsstück samt Tänzchen mit Franco und Saufgelage mit Stalin kein polithistorisches Essay. Aber die Balance zwischen Derbheit und Klugheit, zwischen Anarchischem und einer verbeamteten sprachlichen Höflichkeit gehörte doch zum Zauber der Buchvorlage. Herngren indes hat das eine gelassen und sich für das andere entschieden: Eine stilistisch flexible, bisweilen einfallsreich bebilderte, waghalsig besetzte (der Hauptdarsteller ist Jahrgang 1964!) Greisen-Farce mit lose baumelnden Rückblenden – also für einen Film, der sich gar nicht weit aus dem Fenster lehnte und trotzdem ein bißchen das Gleichgewicht verlor … und die Schweden schon einmal scharenweise ins Kino zog.

[ Sylvia Görke ]