Originaltitel: O ORNITÓLOGO

Portugal/F/Brasilien 2016, 118 min
FSK 16
Verleih: Salzgeber

Genre: Drama, Mystery, Poesie

Darsteller: Paul Hamy, Xelo Cagiao, Han Wen, Chan Suan

Regie: João Pedro Rodrigues

Kinostart: 13.07.17

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Der Ornithologe

Mysterienspiel auf Traumpfaden

Der Filmtitel, er könnte in seiner Nüchternheit nicht falscher sein. Natürlich – Fernando ist tatsächlich ein Vogelkundler und als solcher unterwegs im Norden Portugals. In der Einsamkeit einer weitgehend unberührten Landschaft treibt er mit seinem Kajak einen Fluß hinab, campiert in der Wildnis, scheint ganz bei sich selbst und seinen Handlungen: die Vögel in seiner Umgebung zu beobachten, das Beobachtete auf einem Diktiergerät festzuhalten und zu analysieren. Ornithologen-Arbeit eben. Daß die Fernando offenbar auch Gelegenheit bot, aus einer Liebesbeziehung zu fliehen, läßt ein kurzes Handytelefonat nur ahnen. Die Verbindung ist lausig, Fernando scheint es recht.

Klingt in der Exposition erst einmal nach einer jener wenig aufregenden Aussteiger- und Selbstfindungsgeschichten. Falsch auch das. Denn was Regisseur João Pedro Rodrigues umtreibt, ist etwas anderes. Und mag da die Landschaft auch in ihrer geographischen Verortung so konkret und real sein, wie die Arbeit, die Fernando in ihr verrichtet, ist doch von Anfang an zu spüren, was bald Gewißheit sein soll: In ein mythisch archaisches Arkadien geht diese Reise. Und hinein in ein halb heidnisches, halb christliches Mysterien-Delirium, durch das dieser Film in schlafwandlerischem Schritt die Traumpfade seiner Handlung durchmißt.

Fernando kentert mit seinem Boot, findet sich in Gefangenschaft zweier chinesischer Pilgerinnen wieder, flieht vor ihnen, irrt durch die Natur. Wird Zeuge dämonischer Rituale, trifft den jungen, taubstummen Ziegenhirten Jesus. Schläft und kämpft mit ihm. Wird zum Mörder und zum Märtyrer, hält wandernd Zwiesprache mit den Vögeln, predigt den Fischen. Und sagt einmal einen Satz, der vielleicht das Credo dieses Films ist: „Manches muß man nicht versuchen zu verstehen, es geschieht einfach, und man glaubt es.“

Stimmt. Aber natürlich macht es trotzdem Sinn (und Vergnügen), bestimmte Aspekte zu dechiffrieren. Denn daß Fernando bald nur noch Antonius heißt (wie der Heilige, der den Fischen predigte), daß niemand Geringeres als eine halbnackte Artemis mit Winchester durch die Landschaft reitet und nach Melampus ruft, oder eine weiße Taube durch die Nacht flattert – all das und einiges mehr zeugt von einer durchaus durchdachten, wenn auch alles andere als nüchternen Verschmelzung antiker und christlicher Mythologie. Und was darin in aller Stille aufscheint, ist nichts weniger als eine dionysische Beschwörung mit den Mitteln des Kinos.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.