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Dibbuk

Grusel und Grauen

Im jüdischen Volksglauben, vor allem in seiner osteuropäisch-jiddischen Ausprägung, ist der Dibbuk der Geist eines Toten, der oft dämonengleich vom Körper eines Lebenden Besitz ergreift. Ein mythologischer Topos, der natürlich fürs Horrorgenre geradezu prädestiniert ist. Weshalb es sich auch Regisseur Marcin Wrona nicht nehmen läßt, in seinem DIBBUK sich beim Genre zu bedienen.

Zurück in die ländliche Provinz Polens verschlägt es den schon seit langem in London lebenden Piotr. Was ihn wieder in seine alte Heimat lockt, ist zum einen Zaneta, die große Liebe und Fast-Ehefrau. Und zum anderen das alte, malerische, wenn auch recht verfallene Haus in idyllischer Natur, das Piotr gekauft hat und beziehen will. Mit Zaneta und dem Versprechen auf eine Zukunft, die wie das Sommerlicht über der Landschaft golden, warm und verheißungsvoll leuchtet. Wäre da nicht die Vergangenheit, in die man versinkt wie in dem Schlamm, den der plötzlich immer wieder niederprasselnde Regen verursacht. Und dieses Grab, das Piotr auf seinem Grundstück findet. Das Geheimnis, das es birgt, und das eins der Schuld ist, die man auf sich lud, und der Sühne, die man nie leistete.

Was DIBBUK geradezu exemplarisch vorführt, ist, wie gut das Horrorgenre als Medium fungieren kann. Als wäre der Film selbst ein Dibbuk, der sich einnistet in eine Form des Kinoerzählens, die hier alles trefflich bedient, was man von ihr erwartet: das einsame Haus, die geisterhaften Stimmen darin, die Schattenspiele, schließlich die erst schleichende, dann anfallartig zunehmende Besessenheit Piotrs.

Als Kontrast und Zerrspiegel wirkt dazu die Hochzeitsgesellschaft, die, gleichsam ein Querschnitt der polnischen Gesellschaft, dann bald lachend, tanzend und trinkend das Haus okkupiert, um Piotrs und Zanetas Hochzeit zu feiern. Nur, daß das Lachen zunehmend etwas Falsches und Verzweifeltes bekommt, das Tanzen sich als eins auf Gräbern entpuppt, und das Trinken eins des Vergessen-Wollens ist. Doch weder Wodka noch Ratio helfen, wenn Piotr krampfend in Zungen spricht. In Erinnerung ruft, was geschah mit dem jüdischen Mädchen Hanna, das hier einst mit seiner Familie lebte, vor einer Ewigkeit, mit der man sich doch längst fertig wähnte.

Das wohlige Gruseln des Filmanfangs ist da längst schon unbehaglichem Grausen gewichen. Den gelegentlich verabreichten Humor, scharf und klar wie Wodka, nimmt man da dankbar an.

Originaltitel: DEMON

Polen/Israel 2015, 94 min
FSK 12
Verleih: Drop-Out Cinema

Genre: Horror, Drama

Darsteller: Itay Diran, Tomasz Zietek, Agnieszka Zulewska

Regie: Marcin Wrona

Kinostart: 28.07.16

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.