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Die Spielwütigen

Traurige Gretchen und geballte Fäuste

Der Wunsch, Schauspieler zu werden, gehört zu den Dingen, mit denen Kinder ihre Eltern fast zu Tode erschrecken können. Unredlich wäre ein Dokumentarfilmer, würde er nicht mindestens ihrem stillen Entsetzen Raum geben. So beginnt Andres Veiels Filmstudie des langen Weges zum Traumberuf von Constanze, Prodromos, Stephanie und Karina in häuslicher Umgebung: Prodromos’ Vater ist sichtlich froh, den Couchtisch zwischen sich und seinem Sohn, dem Pistole schwingenden Taxi Driver zu haben. Steffis Mutter spricht von Zukunftsplanung, derweil das Leben ihrem Sprößling reine Kunst ist.

Die beiden sind die markanten Temperament-Pole der vier Schauspieleleven, denen Veiel insgesamt sieben Jahre - dazwischen entstand BLACK BOX BRD - zur Seite stand. Vorsprechen an der Berliner Ernst-Busch-Schule, Studium, erste Engagements, am Schauspiel Leipzig zum Beispiel, vielleicht sogar in den Staaten. Und schon bei der Aufnahmeprüfung zeigt sich, daß die befremdeten aber freundlichen Kritiker von Daheim hier keine Nachahmer finden. Steffi hat es nicht geschafft. Zu traurig war ihr Gretchen. Anderswo bescheinigt man ihr auch noch einen Sprachfehler, wie sie dem Publikum treuherzig anvertraut. Der zweite Versuch ein Jahr später klappt - zu Steffis Verwunderung wegen "komischen Talents". Jetzt muß auch sie vor allem an der Kritikfähigkeit arbeiten, die man braucht, wenn ein Lehrer bei der Probe bittet: "Versucht noch mal schön sauber mit Talent!" Der selbstgewisse Prodromos kann sich das laute Aufbegehren nur schwer verkneifen. Die anderen leiden stiller.

Veiels Kameras sind allgegenwärtig: Probenschinderei, direkte Statements, drohender Lehr- und wütende Studentenkörper, viele Selbstzweifel, die Hochgefühle sparsamer. Es ist ein Schauspieler- und Erwachsenwerden coram publico - überaus vergnüglich, auch in den bitteren Momenten. Denn Veiels beinahe spielfilmhaft verdichtetes, geschickt gekoppeltes Material läßt den einen oder anderen Witz auf Kosten der Protagonisten durchaus zu.

Frei nach Schiller muß man feststellen: Dem Mimen flicht der Veiel keine Kränze. Vielleicht haben sie sich aber schon gerächt und viel bewußter an der Inszenierung ihrer selbst mitgewirkt, als einem redlichen Dokumentarfilmer recht sein kann.

D 2004, 108 min
Verleih: Timebandits

Genre: Dokumentation

Darsteller: Prodromos Antoniadis, Constanze Becker, Karina Plachetka, Stephanie Stremler

Stab:
Regie: Andres Veiel
Drehbuch: Andres Veiel

Kinostart: 03.06.04

[ Sylvia Görke ]