D 2007, 120 min
Verleih: Universal

Genre: Komödie, Literaturverfilmung

Darsteller: Maxim Mehmet, Andreas Schmidt, Susanne Lothar, Susanne Bormann

Regie: Christian Görlitz

Kinostart: 17.04.08

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Fleisch ist mein Gemüse

Von einem der auszog, das Gruseln zu lehren

Nichtleser oder Verweigerer literarischer Überraschungserfolge - Vorlage für den Film ist das gleichnamige Buch aus der Feder Heinz Strunks - mögen es schwer haben, ins Hamburg-Harburg Mitte der 80er Jahre abzutauchen und dort angelandet mit Interesse der autobiographisch gefärbten Geschichte zu folgen. Warum ein trister westdeutscher Vorort vor zwanzig Jahren, warum gerade eine Geschichte wie diese?

Hauptfigur Heinz hat sich hier mit allerlei Unbill herumzuschlagen. Ein böser Hautausschlag nimmt bei ihm entstellende Dimensionen an, die Mutter, psychisch labil, übt sich im Rollenwechsel und erzwingt Fürsorge und Liebe des Sohnes, und auf dem Stubentisch sammeln sich leere Flaschen und volle Aschenbecher. Als Rettungsanker vor dem längst fälligen Gang zum Sozialamt, erweist sich ein Engagement Heinz’ als Saxophonist der "Tiffanys", einer Kapelle mit beträchtlichem Nachspiel-Repertoire, die Dorfsäle bei Schützenfesten zum Kochen bringt. Doch ist es wirklich besser, Teil dieses Universums norddeutscher Feierlaune zu sein, als daheim das Sofa zu hüten, das bräunliche Tapetenmuster und das Testbild des NDR im Blick? Nein! Heinz muß weiter, rückwärts raus aus der Vorhölle und rein ins musikalische Glück als Hit-Produzent É und ins ganz persönliche, mit einer Frau.

Wenn zu schreiben ist, daß Regisseur und Drehbuchautor Christian Görlitz ein Gespür fürs Authentische beweist, dann zielt dies weniger auf die Entscheidung zum Dreh an Originalschauplätzen oder das glaubwürdig herüber- weil heruntergekommene Setdesign. Vielmehr scheinen hier Wahl und Führung von Schauspielern und Komparsen von Belang. Dieses Darstellerteam wirkt mit Professionalität und größter Spielfreude daran, ein Bild bundesrepublikanischer Zeit und Verfassungsgeschichte zu zeichnen, welches freilich vor allem eines bewirkt: es lehrt den Zuschauer das Gruseln. Formale Anstrengungen um Auflockerung - der Film ist in Kapitel mit zynisch-humoristischen Zwischentiteln gegliedert, und Heinz Strunk in persona gibt den Erzähler (konfrontiert mit einem Alter Ego) - und narrative Zugeständnisse an enttäuschte und erfüllte Liebe sowie ernsthafte Musiker, helfen über eine bittere Erkenntnis nicht hinweg. Trist und betonschwer bleibt der westdeutsche Vorort und Heinz’ Geschichte steuert auf ein Happy End zu, das nur ein Trugbild sein kann.

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.