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Good Food Bad Food

Wie man Boden gutmacht

Einmal mehr beackert die Filmwirtschaft ein unappetitliches Feld, Übelkeit erregend nicht nur wegen des fortgesetzten Betrugs an Mägen und Gaumen. Vielmehr geht es um eine Analyse unserer Ernährungsgewohnheiten und ihrer Bedingungen, um Nahrung als beliebig manipulierbare, in eine ökonomische Verwertungskette eingepreiste Größe, die eben nicht nach Hunger oder Appetit, sondern nach Profit variiert. Das von seiner Bestimmung losgelöste Lebensmittel als geographisch hochflexibilisierter Teil des Warenverkehrs ist DAS Thema der Zeit. Die pervertierte industrielle Landwirtschaft, also der Zirkelschluß aus weltweit greifenden Saatgut-, Anbau-, Dünge- und Vertriebsmonopolen, ist DAS Thema dieses Films – exklusiv für alle, die wissen, daß Brot nicht auf Regalen wächst.

Coline Serreau, bekannt vor allem für ihren Spielfilm DREI MÄNNER UND EIN BABY, hat für diesen seltenen Ausflug ins dokumentarische Fach ausschließlich Zeugen der Anklage versammelt: einen brasilianischen Landbesetzer, „ausgestiegene“ Mikrobiologen, zur Besinnung gekommene Agraringenieure, Saatgutrebellen, Ökobauern aus der Ukraine, aus Marokko, Frankreich und Indien mitsamt ihren Fallbeispielen. In ihren Berichten zur Lage werden Alternativen sichtbar. Deutlich wird weiterhin, daß sich die grüne Konterrevolution nicht nur auf einen übernationalen Jargon geeinigt hat, sondern auch auf ein zweigliedriges Argumentationsmodell: Pflüge und Pestizide als industrialisierte Fortsetzung eines männlichen Vergewaltigungsdrangs. Das vom Keimling bis zur Ladenpräsentation durchchemisierte Nahrungsmitteldesign als Erbfolger der verheerenden militärischen Kreativleistungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. So.

Das sind die einigermaßen tobakstarken Thesen dieser im Alarmton und in ausgedehnten Monologen vorgetragenen Anklagerede, die sich außer verstreuter Musik und illustrierenden Bildern kaum eine ästhetische Kapriole gönnt. Sie bleiben unwidersprochen, unbefragt, ungeprüft. Denn Regisseurin und Protagonisten sind sich einig – besonders im Imperativ. Die gemeinsamen Pirouetten in nahezu deckungsgleichen Denkfiguren mögen sich nun mit aufklärerischem Impetus um gute und schlechte Böden drehen. Dort, wo sie die Propaganda streifen, wird das aber zu einer Frage des Meinens, nicht des Wissens.

Originaltitel: SOLUTIONS LOCALES POUR UN DÉSORDRE GLOBAL

F 2010, 113 min
FSK 0
Verleih: Alamode

Genre: Dokumentation

Stab:
Regie: Coline Serreau
Drehbuch: Coline Serreau
Kamera: Coline Serreau
Musik: Madeleine Besson & Garden Trio

Kinostart: 20.01.11

[ Sylvia Görke ]