Originaltitel: L’ÉTÉ DERNIER

F 2023, 104 min
FSK 16
Verleih: Alamode

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Léa Drucker, Samuel Kircher, Olivier Rabourdin, Clotilde Courau

Regie: Catherine Breillat

Kinostart: 11.01.24

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Im letzten Sommer

Dänemark gegen Frankreich – 1:0

Es geht also auch umgekehrt. Nicht nur das französische Kino will gern von der Restwelt adaptiert sein, auch fremdländische Stoffe werden durchaus in die Filmkulturzone eingelassen. Nach IM LETZTEN SOMMER aber staunt der Cineast nicht nur, er wundert sich gleich mit. Mehrfach.

Ausgerechnet die einst so eigenwillige Catherine Breillat hat sich an eine dänische Vorlage gemacht, die vor drei Jahren unter dem Titel KÖNIGIN natürlich auch hier zu sehen war. Fürs eigene Drehbuch nahm die heute 75jährige korrespondierende Hilfe vom nicht unbekannten Kollegen Pascal Bonitzer in Anspruch, was einem Breillat-typischen Radikalbruch mutmaßlich im Wege stehen könnte. Und: Die Regisseurin hatte schon dem Filmen abgeschworen, vor allem aus gesundheitlichen Gründen, ließ sich aber vom Produzenten überreden. Vorzeichen, die so gar nichts Gutes verheißen und beim Sichten leider auch nicht besser werden. Oder passiert hier gar Seltsames? War vielleicht das Original schon viel zu nahe dran an Breillat, so daß in ihrer Hinwendung zur Sanftheit jetzt der eigentliche Bruch besteht?

Es bleibt zunächst bei der Blende in die Notsituation einer bestens situierten Familie mit Anne und Pierre als Ehepaar sowie zwei kleineren Kindern, die durch Théo, Pierres 17jährigen Sohn aus früherer Beziehung, Erweiterung erfährt. Temporär und mit allem Temperament, denn Anne beginnt mit Théo eine sexuelle Affäre. Sie, die Anwältin mit Fachgebiet Mißbrauchsopfer, rutscht persönlich in eine herausfordernd heikle Lage, und das, wo sie gerade noch in einem unsäglichen Monolog beim (!) Sex mit ihrem älteren Pierre verkündet hat, sie sei eher „gerontophil“ veranlagt. Von Théo kann sie trotzdem nicht lassen. Weshalb wirklich? Das hätte man gern IM LETZTEN SOMMER gesehen.

Zeit für ein Geständnis: Der Schreiber dieser Zeilen hat es nicht geschafft, sich vom noch extrem präsenten Original in seinem Kopf zu lösen, konnte die jetzige Léa Drucker partout nicht gegen die damalige Trine Dyrholm tauschen, wollte nicht die einzige für ihn spürbare Antwort auf Annes Begehren – verflossene Jugend – gegen die absolut komplexe dänische Schachbrett-Konstellation stellen, in der es wechselweise um weibliche wie jugendliche Macht, Rache und puren Erfüllungs-Sex gegangen ist. Die Figuren, die damit kämpfen, waren viel präsenter. Das nordische Kino war in diesem Falle einfach stärker.

[ Andreas Körner ]