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Khadak

Rätselhafte Symbolik und der Tod einer Kultur

Die mongolische Steppe, winterlich, eisig, weit: Bagi, gerade 17jährig, führt mit Mutter und Großvater sowie der Schafherde und einem Pferd das traditionelle Leben der Nomaden. Nur die gelegentlichen krampfartigen Anfälle, bei denen der junge Mann mit dem Tod zu ringen scheint, sind Anlaß zur Sorge und erweisen sich schließlich als Erbe des verstorbenen Vaters. Bagi hat gleich ihm die Fähigkeiten eines Schamanen, doch er fürchtet sich davor, diese Gabe des Schicksals anzunehmen. Als die Nomaden wegen einer gefährlichen Tierseuche in Städte umgesiedelt werden, wo sie fortan ein Leben als Bergarbeiter fristen, löst dies auch bei Bagi einen Schock aus. Er beginnt, seine seltene Begabung zu nutzen, entdeckt die wahren Gründe der Umsiedlung ...

Peter Brosens und Jessica Woodworth setzen bei ihrem Spielfilmdebüt vor allem auf die suggestive Kraft von sorgfältig komponierten Bildern, welche durch ihren stark kontrastierenden Gehalt an Intensität noch gewinnen. So findet sich in großen Tableaus zunächst die Unberührtheit einer grandiosen Landschaft zelebriert, in späteren spiegeln sich vor allem die Resultate industriellen Raubbaus sowie staatlicher Siedlungs- und Kulturpolitik. Das traditionelle Leben der Nomaden ist beinahe dokumentarisch ins Bild gesetzt, die Trabantenstadt, verordnete Heimat der Zukunft, dagegen wirkt vor allem surreal. Das Weiß der Steppe, das Blau des Himmels, Bagis dunkle Augen, ein blaues Tuch (Khadak genannt und den Himmel symbolisierend), die farbenfrohen Gewänder der Nomaden, die uni-formähnliche dunkle Lederkluft der jungen Städter - bis ins kleinste Detail wirkt hier ein Bemühen, das Vorher und Nachher, Veränderungen und Brüche unmißverständlich zu illustrieren. Die Geschichte, zunächst trotz paralleler Handlungsstränge und Rückblenden stringent erzählt, verliert dabei aber zusehends ihren roten Faden und mündet schließlich in Episoden, die nicht mehr zueinander finden.

Fast möchte man die Regisseure eines sehr spontanen Reagierens auf vorgefundene Themen (wie etwa den Schamanismus) und Situationen verdächtigen. Die zunehmende Stilisierung der Bilder und ihre Theatralik führen schlußendlich in Parallelwelten, die ausgestattet mit überbordender Symbolik und begleitet von einem dramatisierenden Soundtrack (der Kurzauftritt der mongolischen Band "Altan Urag" bildet hier eine gern erinnerte Ausnahme), vor allem Rätsel aufgeben.

Originaltitel: KHADAK

Belgien/Niederlande/D 2006, 104 min
Verleih: Farbfilm

Genre: Drama

Darsteller: Batzul Khayankhyarvaa, Tsetsegee Byamba

Stab:
Regie: Peter Brosens, Jessica Woodworth
Drehbuch: Peter Brosens, Jessica Woodworth

Kinostart: 17.04.08

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.