D/Österreich 2016, 113 min
FSK 6
Verleih: Wild Bunch

Genre: Biographie, Drama

Darsteller: Katharina Lorenz, Nicole Heesters, Liv Lisa Fries, Katharina Schüttler, Alexander Scheer

Regie: Cordula Kablitz-Post

Kinostart: 30.06.16

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Lou Andreas-Salomé

Sofern Du willst ein Leben haben, raube Dir´s

Porträts starker Frauen haben im Moment Konjunktur, und das ist ganz wunderbar! Interessanterweise werden ihre Biographien oft im ausschließlichen Fokus der Verbindung mit wichtigen Männern erzählt. Auch im Falle der Lou Andreas-Salomé. Cordula Kablitz-Post hat sich in ihrem Spielfilmdebüt der Schriftstellerin, Essayistin, Philosophin und Psychoanalytikerin aus russisch-deutscher Familie angenommen, die ein selbstbestimmtes, freies Leben anstrebte. Der Berg an Material ließ nur eine bestimmte Auswahl zu. Und daß man sich besonders ausführlich auf Begegnungen mit Verehrern wie Friedrich Nietzsche und Paul Rée, die ihr beide Heiratsanträge machten, oder die romantischenAffäre mit Rainer Maria Rilke stützt, ist natürlich selbstverständlich. Aber ist es das?

Gehen wir mal durch den Film: Die Begegnung mit der Frauenrechtlerin Malwida von Meysenburg, die Lou als körperlich ausgebrannte, aber innerlich lodernde Studentin in Rom kennenlernte, dient als Einführung Paul Rées. Aber hatten sich die beiden Frauen inhaltlich wirklich nichts zu sagen? Was hätte passieren können oder ist zwischen den Schwestern Nietzsches und ihr genau passiert, als diese Lou aus dem Pastorenhaushalt warfen? War der Konflikt der Frauen unwichtiger als eine lange Sequenz, in der Salomé und Nietzsche prustend im See herumplanschen? Hätte man nicht ein bis zwei Bettszenen streichen oder gar Rainer Maria und Lou im romantischen Turteln dramaturgisch verknappen können und dafür beispielsweise eine wirkliche Auseinandersetzung mit ihrer selbst herbeigeführten Abtreibung inszeniert? Als Verschiebung des Fokus’ auf die weibliche Sichtweise der gesellschaftlichen Verhältnisse gewissermaßen.

Man bedenke, eine Frau stürzt sich von einem Baum, um das Kind aus einer Affäre nicht austragen zu müssen. Was ist mehr Ausdruck von radikaler Flucht zur Bewahrung ihrer Eigenständigkeit, die Lou ein Leben lang vollzogen hat, schwankend und kämpfend zwischen Konvention, weiblicher Sexualität, Begehren und Anerkennung als Intellektuelle? Es geht hier nicht darum, an Szenen rumzumäkeln, sondern um die Frage, warum in einem Film über eine Frau so wenig „Frau“ inhaltlich vorkommt.

Nicht, daß Kablitz-Post kein unterhaltsames und mit guter Besetzung (vor allem Nicole Heesters ist hervorzuheben) ausgestattetes Porträt eines unangepaßten Freigeists gelungen ist. Aber die in Lou Andreas Salomés – leider im Gegensatz zu ihrem spektakulären Leben ebenfalls weniger beachteten – Schriften pulsierende Kraft ist leider oft dem Kitsch erlegen oder kommt nicht vor.

[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...