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Naokos Lächeln

Guter Pop und große Oper

Sie sind oft noch sehr oder gerade so nicht mehr ganz jung. Sie hören viel Cool Jazz oder den (im konkreten Fall) Pop der 60er. Sie trinken gern Whiskey in Bars. Sie rauchen nachdenklich Zigaretten. Sie sind meistens und manchmal auch gerne einsam. Sie sind Japaner, die einen Habitus pflegen, den sie für amerikanisch halten. Sie sind Männer mit den existentialistischen Posen, die sie aus ihren bevorzugten Büchern und Filmen kennen. Und sie sind Männer, die an himmelsschöne Frauen geraten und in unglückliche Lieben zu diesen Geschöpfen, die bei Haruki Murakami aus einem Stoff scheinen, der nicht von dieser Welt ist.

Naoko ist so ein Geschöpf. Mit Toru und Kizuki verbindet sie eine schwirrende, erotisch knisternde Freundschaft. Zwei Männer, eine Frau. JULES UND JIM auf Japanisch. Doch die Unbeschwertheit dabei täuscht. Kizuki bringt sich um. Das Ende der Unschuld. Jahre später: Es sind die protestgetränkten 60er, Toru ist inzwischen Student, da trifft er Naoko wieder. Die, krankend an einer zerstörerischen Schwermut, sich ihm noch einmal zuwendet. Um dann endgültig verloren zu gehen. Sich selbst, der Welt, dem Leben. In das auch Toru zurückfinden muß. Vielleicht mit Hilfe der selbstbewußten Midori.

Von all den schöntraurigen Geschichten Murakamis ist NAOKOS LÄCHELN vielleicht die traurigste. Und eine überaus komplex gebaute. Mit einer Fülle an atmosphärischen Nuancierungen und psychologischen Schattierungen. Mit Nebenfiguren und Nebensträngen. Klar, daß da eine Verfilmung aussortieren muß. Genau das aber hat der vietnamesische Regisseur Anh Hung Tran (CYCLO, DER DUFT DER GRÜNEN PAPAYA) leider nicht durchgehend geschickt gemacht. Wo manche Bruchstücke zu grob gehauen sind, wurden andere allzu klein geschliffen.

Ästhetisch ist NAOKOS LÄCHELN zweifellos ein Augenfest. Doch wo auf der einen Seite der Film in szenischen Wiederholungen stagniert, huscht er an anderer Stelle zu schnell durch die Handlung. Nuancierungen und Schattierungen dabei zu einem Melodram zunehmend monoton gebeteter Gefühlsformeln verwischend. Womit die süßbittere, lakonische Melancholie jenes berühmten Popsongs, den sowohl der Roman im Originaltitel und Film in der japanischen Übersetzung führen, hier – und eben im Gegensatz zur Vorlage – zur kalorienreichen Oper wird. Die hat ohne Zweifel berauschende Momente. Hinterläßt aber eben leider auch ein etwas bleiernes Völlegefühl.

Originaltitel: NORUWEI NO MORI

J 2010, 133 min
FSK 12
Verleih: Pandora

Genre: Literaturverfilmung, Drama, Liebe

Darsteller: Kenichi Matsuyama, Rinko Kikuchi

Regie: Anh Hung Tran

Kinostart: 30.06.11

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.