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Olga Benario – Ein Leben für die Revolution

Nachdichtung einer Biographie

Sie sei in der DDR "geliebt und geachtet" worden, "über 100 Straßen, Schulen, Kindergärten, Seniorenheime und Kollektive" habe man nach ihr benannt. So heißt es am Ende von Galip Iytanirs Film. Doch selbst das so gern als Kollektiv gedachte ostdeutsche Bewußtsein, dem man ja vor wie nach der Wende viele Namen ins Stammbuch schreiben wollte, wird ein wenig grübeln müssen. Wer war Olga Benario?

1908 in München geboren, Tochter aus gutem jüdischen Rechtsanwaltshause. Früh Mitglied im kommunistischen Jugendverband, entwischt sie dem bürgerlichen Leben nach Berlin in die Arme des Genossen Otto Braun. 1928 befreit sie den Geliebten mit einem Revolver-Streich aus dem Gefängnis. In Rußland zum Kampf für die Kommunistische Internationale ausgebildet, folgen Aufträge und Verhaftungen in ganz Europa. Mit Luiz Carlos Prestes, ihrem späteren Mann, geht sie nach Brasilien, um eine Revolution in Gang zu bringen, die 1935 scheitert. An Nazideutschland ausgeliefert, nach Lichtenburg, dann Ravensbrück deportiert, wird sie 1942 in der "Heil- und Pflegeanstalt" Bernburg ermordet. Olgas Tochter, im Frauengefängnis geboren, überlebt.

Agententhriller, Liebes- und Revolutionsgeschichte, Komintern-Karriere und Charakterstudie einer Mitfühlenden - all dem versucht Galip Iytanirs Dokumentar-Biographie gerecht zu werden. Das vielgelesene, 1961 in der DDR veröffentlichte Buch von Ruth Werner, ein neueres von Fernando Morais und Benarios Nachruhm in Brasilien schürten die Faszination. Sie mag sich wohl auch auf den Zuschauer übertragen. Doch die eigentliche Dokumentenlage - wenige, mehrfach eingeblendete Fotos, Briefe fast ohne genaue Datierung und Verortung - ist dünn. Aufgefüllt wird das schüttere Gerüst mit zwei brasilianischen Sängern, Gegenwartsaufnahmen der Originalschauplätze sowie gewagten Äußerungen über Olga Benarios Liebes- und Gedankenwelt, für die Iytanir die Belege weitgehend schuldig bleibt.

Vor allem aber arbeitet der erfahrene Cutter in diesem ersten eigenen Film mit nachgespielten Szenen. Und die mögen zwar der Vorstellungskraft auf die Sprünge helfen, aber sie sind wie so oft Geschmackssache.

D 2004, 92 min
Verleih: Neue Visionen

Genre: Dokumentation, Biographie, Polit

Darsteller: Margrit Sartorius, Michael Putschli, Oliver Betke

Stab:
Regie: Galip Iyitanir
Drehbuch: Galip Iyitanir

Kinostart: 31.03.05

[ Sylvia Görke ]