Originaltitel: RABIA
F/D/Belgien 2024, 94 min
Verleih: Alpenrepublik
Genre: Drama, Polit
Darsteller: Megan Northam, Lubna Azabal
Regie: Mareike Engelhardt
Kinostart: 23.01.25
Die Fassungslosigkeit läßt sich auch nach anderthalb Stunden nicht ganz überwinden. Mareike Engelhardt verweigert die Alltagsbetrachtung. Ihr Film beginnt, wo dieser Alltag bereits verabschiedet wird, an einem Punkt, an dem man sich nur noch mit wenigen Phrasen und Referenzen auf ihn bezieht. Die große, erschütternde Frage, die über allem schwebt, bleibt also nur in Ansätzen beantwortet, mehr Gesprächsangebot und Provokation als Diskussion auf der Leinwand: Was bewegt zwei junge Französinnen dazu, sich dem Islamischen Staat anzuschließen? Jessica und Laïla wähnen in Syrien ein besseres Leben. Frust in der Heimat, empfundene Sinnlosigkeit und das Gefühl der Ausbeutung im Beruf flüchten sich in die Radikalisierung und Sehnsucht nach einem höheren Zweck – so weit die groben Konturen.
RABIA entwirft aus ihnen eine eindringliche, kammerspielartige Parabel, die vor dem Hintergrund der IS-Greuel erst einen Transitraum, eine sogenannte Madafa, porträtiert, in der die Frauen auf ihre Ehevermittlung mit den Kämpfern warten, ehe sich dieser Raum in ein immer düsterer werdendes ideologisches Gefängnis und eine Folterkammer verwandelt. Engelhardts klug konstruierter Film beobachtet menschliche Abgründe und charakterliche Zweifel als Verschiebung von Machtverhältnissen. Gewalt und Indoktrinierung brechen Menschen, bis sich vorherige Hierarchien plötzlich umkehren.
RABIA zeigt eine Selbstermächtigung auf den gemarterten Körpern anderer. Die Verteidigung jenes ideologischen Gefängnisses wird zu einem verstörenden, symbolträchtig existentiellen Kampf, von dem konsequent nur Ruinen und Trümmer bleiben.
[ Janick Nolting ]