D/Israel 2017, 104 min
FSK 0
Verleih: Missing Films

Genre: Drama, Liebe, Schwul-Lesbisch

Darsteller: Tim Kalkhof, Sarah Adler, Roy Miller, Sandra Sade, Zohar Strauss

Regie: Ofir Raul Graizer

Kinostart: 01.11.18

2 Bewertungen

The Cakemaker

Die Kekse des Anderen

Auch Notlügen haben kurze Beine. Vielleicht sind sie noch um einiges kürzer, als die der „normalen.“ Und wer legt fest, was eine Notlüge ist? Thomas ist zunächst in eine Notlage geraten. Oren, der Mann, in den er sich verliebt und dessen Zweitleben in Israel mit seiner Familie er toleriert hat, geht nicht ans Telefon. „Sie haben 13 Anrufe“, wird der AB verkünden. Monate später, als Orens Frau Anat es endlich schafft, ihn abzuhören. Die Zeit davor war eine der Trauerarbeit – für Anat und ihren Sohn in Jerusalem, für Thomas in Berlin. Oren hatte einen tödlichen Unfall.

Die Erzählform von THE CAKEMAKER elliptisch zu nennen, trifft es nicht recht. Natürlich kommt Regisseur Ofir Raul Graizer in seinem ambitionierten Debüt nicht ohne Zeitsprünge aus. Manchmal bekommen sie Schrifttafeln, um sie einordnen zu können, manchmal werden sie unvermittelt plaziert und stehen für Träume der Protagonisten.

Alles beginnt in Berlin, wo Thomas in einer Konditorei selbstgebackene Leckereien kredenzt. Oren kauft dort Zimtkekse, jedes Mal, wenn er in Deutschland arbeitet. Zimtkekse als Mitbringsel für seine Frau. Der Film verschludert keine Zeit, um Oren und Thomas als inniges Liebespaar zu zeigen, das augenscheinlich mit Offenheit und Ehrlichkeit trefflich umzugehen weiß. Geheimnis ist das, was sie mit sich anfangen, nicht mit Anderen. Insulaner auf Zeit sind’s.

Als THE CAKEMAKER in Jerusalem andockt, ist Thomas ein Tourist in der Stadt. Bald schon sitzt er im kleinen Café, das Anat betreibt. Bald schon steht er dort in der Küche und backt „Black Forest Torte“ (na, erkannt?) nach deutschem Originalrezept, was nicht ganz koscher ist. Kekse auch, Zimtkekse. Zu erkennen gibt er sich Anat gegenüber nicht. Nur Orens Mutter, so scheint es, ahnt mehr.

Es ist nicht die Konstellation um eine (Not-)Lüge, die THE CAKEMAKER reizvoll macht, nicht die Anspannung, wie es wohl ausgehen möge. Es ist vielmehr das Wie in der Art, mit der sich Thomas in Orens Umfeld bewegt. Er, der Stille, stürzt dort nicht, sondern gerät hinein. Der Kuchenbäcker ist kein Stratege, folgt allein seinem Gefühl, ganz gleich, ob die Lüge Schlingen um seinen Hals legt oder ihn befreit. Tim Kalkhof spielt ihn als unverbrauchtes Kinogesicht ausbalanciert und zurückhaltend. Mit Sarah Adler, einer Art Charlotte Gainsbourg des Nahen Ostens, hat er einige wirklich ergreifende Minuten grundlosen Verstehens.

[ Andreas Körner ]