Bild: DIE REISE NACH SUNDEVIT

DEFA-Wochenende

15.10.–17.10.2021

Cineplex

Volkseigene Filme

Ein Blick aufs „DEFA-Wochenende“ im Cineplex

Bei Michael Gwisdek saß der Schalk be-

kanntlich fest im Sattel seines Nackens. Falls man ihn ließ, schnodderte er herzhaft und in fettem Berliner Dialekt über seine mehr als 100 Rollen, die Zeit als Eintänzer und Kellner, Karl-Marx-Stadts Theater und die Baumärkte Brandenburgs. Sprach man den im September 2020 verstorbenen Mimen allerdings auf ABSCHIED VON AGNES an, eine von insgesamt drei seiner Regiearbeiten, wurde er ungewöhnlich ernst. Weil wieder einmal alle, wirklich alle Versuche fehlgeschlagen waren, diesen Film noch einmal öffentlich zu zeigen. Er gilt als verschollen, und das, obwohl er erst 1993 entstanden ist und extrem genau über die DDR, ihren Geheimdienst und persönliche Deutungshoheiten der Vergangenheit erzählt. Michael Gwisdek – doppelt verloren!

Wenn das Cineplex jetzt zum „DEFA-Wochenende“ ruft und neun „volkseigene Filme“ präsentiert, ist er gleichwohl mit einem seiner stärksten Streifen vertreten: Roland Gräfs DER TANGOSPIELER, ein echter Wendefilm. Christoph Heins literarische Vorlage war im März 1989 erschienen, die DEFA-Oberen gaben noch ihr Okay zur Adaption, gedreht wurde in Leipzig, am Tag der Premiere im Februar 1991 existierte der Staat schon nicht mehr, in dem die Handlung spielt. Es geht um Verdrängen, Vergessen, Vergeben.

Späte DEFA-Werke sind auch DIE AR-

CHITEKTEN von Peter Kahane und ZUM TEUFEL MIT HARBOLLA, wobei Letzterer den Komödianten Tom Pauls, geboren an der Pleiße, in seiner einzigen DEFA-Hauptrolle zeigt – als NVA-Leutnant des Jahres 1956.

Einige Mitarbeiter des Cineplex haben bereits in Kinos der DDR-Bezirksfilmdirektion gearbeitet, in traditionellen Spielstätten wie Schauburg, Filmtheater der Freundschaft oder Capitol. Das Programm des thematischen Wochenendes sei ihr „persönliches Best Of.“ Und auch der Termin ist kein willkürlich gesetzter, denn just am 17. Oktober 1946 hatte Wolfgang Staudtes DIE MÖRDER SIND UNTER UNS als DEFA-Debüt Premiere. Da gleichsam noch viele Fans des Ostfilms unter uns sind, einige der Streifen immer wieder eine (Neu-)Entdeckung lohnen und anstatt als DVD-Edition für daheim die Leinwand durchaus verdienen, hat das Projekt natürlich seine volle Berechtigung.

Auch in der stilistischen Breite. Ge-

spannt darf man sein, wie wohl Kinder von heute auf einen von schwarzweißem Ostseeduft umwehten Film wie DIE REISE NACH SUNDEVIT reagieren, der weitaus seltener zu sehen ist als die gleichsam aufzuführenden Klassiker DAS KALTE HERZ und DAS FEUERZEUG. Drei klare Genrefilme sind WEISSE WÖLFE (mit Gojko „Nimmertod“ Mitic), MIR NACH,

CANAILLEN! (Manne Krug als Faust-

und Degenkämpfer) sowie DER SCHWEIGENDE STERN (Science Fiction nach Stanislaw Lem), allesamt mit deutlichem Humorpotential, allerdings aus jeweils eigenen Gründen. Ganz sicher spricht DEFA-Kenner und Autor Frank-Burkhard Habel auch darüber, wenn er in jeder der neun Veranstaltungen seine Einführung gibt.

[ Andreas Körner ]