Originaltitel: O ÚTIMO AZUL
Brasilien/Mexiko/Chile/NL 2025, 86 min
Verleih: Alamode
Genre: Satire, Science Fiction, Drama
Darsteller: Denise Weinberg, Rodrigo Santoro, Miriam Socarrás
Regie: Gabriel Mascaro
Kinostart: 25.09.25
Warum sollte immer nur die Jugend aufbrechen dürfen zu neuen Ufern oder rebellieren gegen die etablierten Verhältnisse? Die 77jährige Tereza jedenfalls will sich nicht damit abfinden, daß sie demnächst für immer in „die Kolonie“ muß. In dieser dystopischen Version Brasiliens ist das ein Ort, wohin alte Leute abgeschoben werden, damit sie nicht die Produktivität der übrigen Gesellschaft einschränken. Beworben wird dieses Gefängnis als Erholungsort für das „lebende Nationalerbe“ des Landes. In der Realität herrschen Windelzwang und Bevormundung, wenn nicht Schlimmeres.
Tereza hat die Alters-Aussortierungsgrenze bereits überschritten, da interessiert es nicht, daß sie noch selbständig ihren Alltag regelt und in ihrer kleinen Stadt im Amazonasgebiet in einer Krokodilschlachterei arbeitet. Dabei hat die resolute Seniorin noch was vor, Fliegen zum Beispiel, aber einen Flug darf sie ohne das Einverständnis ihrer Tochter nicht buchen, auch keine Busfahrkarte. Also muß sich Tereza zwangsläufig auf Routen abseits der Legalität begeben. Entlang des Weges trifft sie auf allerlei Gestalten wie den liebeskranken Schmuggler Cadu, der ihr das Geheimnis der blauen Amazonasschnecke verrät. Ihr Schleim ins Auge geträufelt, verrät angeblich die Zukunft.
Die phantastische Denise Weinberg verkörpert diese Rebellin wider Willen mit knurriger Grandezza und einer Sinnlichkeit, die älteren Menschen im Kino sonst kaum zugestanden wird. Man sieht ihr sehr gern dabei zu, wie sie das Leben noch einmal ganz neu entdeckt. Regisseur Gabriel Mascaro verläßt sich auf die Glaubwürdigkeit seiner Hauptdarstellerin und verzichtet auf technische Spielereien, um seine Zukunftssatire zu illustrieren. Um seine Vision zu skizzieren reichen ihm Flugzeuge, die Parolen über den Himmel ziehen: „Die Zukunft gehört allen.“ Oder die „Altenabschlepper“: Autos mit einem Käfig hinten dran, in denen widerspenstige Rentner eingefangen werden.
Mit Terezas Aufbruch ins Ungewisse wird DAS TIEFSTE BLAU zunehmend surrealer. Der Film findet traumhafte Bilder, die das Absurde im Alltag einfangen: geschlachtete Krokodile, die am Haken hängen, ein verlassener Freizeitpark, ein Bootscasino mitten im Amazonas. Und er ist eine Liebeserklärung an den sich ewig windenden Fluß, der in jeder Kurve das Versprechen eines Neuanfangs gibt. In dieser Überzeugung, daß man nie zu alt ist, um zu träumen, liegt ein wohltuender Optimismus.
[ Dörthe Gromes ]