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Kein Science Fiction

Ein Experiment im Paralleluniversum

Wessi und Motivationstrainer Marius sieht sich einer echten Herausforderung gegenüber: Jörg Karsunke, Unternehmer aus dem Osten, blasses Selbstvertrauen im farbigen Jackett. Wie soll der je die "Mental Syntax" begreifen, wenn er nicht mal ordentlich eine Tür aufmachen kann?

Als Marius ihm zeigen will, wie man die Welt der erhobenen Häupter angemessen betritt, geht ein Ruck durch den Film: ein kleiner Schritt in einen Raum, ein großer ins Science-Fiction-Genre. Die anderen Seminarteilnehmer wie weggeblasen, zu Hause ein fremder Mann. Ansonsten alles wie gehabt, nur daß die im Schicksal aneinander geketteten Männer von nun an keine Tür mehr hinter sich schließen können, ohne sofort vergessen zu sein. Hotelzimmer, Autos und Klamotten gratis, ungestraft in Ärsche treten. Aber was, wenn man sich verliebt und jeden Tag aufs Neue mit dem Erobern beginnen muß?

Es gebe hier keine Meta-Ebene, er zeige nur Konkretes, Alltägliches, beteuert Regisseur Franz Müller. Man sollte sich jedoch keineswegs davon abhalten lassen, seinem tatsächlich konkreten, anschaulichen Alltagskosmos die Nebenklänge und Untertöne abzulauschen, von denen jede noch so dürre, noch so improvisierte Situation strotzt. Denn dies ist auch ein aberwitziges Experiment, bei dem ost- und westdeutsche Klischees dem Härtetest in der soziologischen Schwerelosigkeit unterzogen werden.

Wie jede zünftige Science Fiction, ganz ohne metallgraue Körperersatzteile, rote Wüsten und wüste Visionen, bezieht auch Müllers "andere Welt" ihren Schrecken daraus, daß sie der bekannten zum Verwechseln ähnlich sieht. Dasselbe in Grün sozusagen, gleichsam verbürgt in seiner prosaisch, roh und vorläufig anmutenden Video-Optik. Doch der Kostendruck verschaffte Müllers Hochschulabschlußfilm nicht nur den merkwürdigen Charme der Workshopatmosphäre. Es ist die perfekte Form für eine fast rührende Idee vom Kampf zweier Space-Cowboys mit der Raumverschiebung.

Apropos: Vor Zweijahresfrist zog Müllers origineller Beitrag zur deutsch-deutschen Mental Syntax schon einmal aus, die Kinoräume zu erobern. Die verlängerte Premiere mit verlängertem Titel (das KEIN kam hinzu) sollte jedoch niemanden daran hindern, die herrlich ruckelnde Ausfahrt in surreale Gefilde zu genießen, als wäre es eine Erstbesteigung.

D 2003, 112 min
Verleih: Rif

Genre: Komödie, Schräg

Darsteller: Arved Birnbaum, Jan Henrik Stahlberg, Nicole Marischka

Regie: Franz Müller

Kinostart: 06.04.06

[ Sylvia Görke ]