Originaltitel: RENTAL FAMILY
USA/J 2025, 103 min
Verleih: Disney
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Brendan Fraser, Mari Yamamoto, Takehiro Hira
Regie: Hikari
Kinostart: 08.01.26
Ich mußte trotz aller Fesselung durch diesen wunderbar feinfühligen Film immer an Soft Cells „Home Is Where The Heart Is“ denken, weil so wahr. Das Leben ist voll mit kranken, traurigen und erschütternden Geschichten aus „echten“ Familien, schon daher liegt es auf der Hand und auch in unserem Wesen, daß jeder für sich definiert, was Familie bedeutet. Und darauf wird auch der Schauspieler Phillip kommen, der sich als „Standardweißer“ seit Jahren eher schlecht im fernen Tokio durchschlägt, immerhin mit eigenwilligen Werbespots so etwas wie Popularität erlangt hat, aber selbst die setzt Patina an: Sein schriller Ritt auf der Zahnpastatube ist sieben Jahre her ...
Er steckt in der Sackgasse, nimmt Engagements als Baum an, in der Bar stellt man ihm den Sake ungefragt hin, die Anonymität in seiner engen Bude wird vom Sound der vorbeidonnernden U-Bahn orchestriert, eine Veränderung muß dringend her. Oder mehrere. Denn Phillip landet bei einer erfolgreichen Agentur, die Schauspieler für obskure Zwecke vermietet, nach eigener Auskunft aber keine Leute, sondern Emotionen verkauft. Will sagen: Er soll so tun, als ob. Sein erstes Spiel ist „The Sad American“, der sich in eine Trauergemeinde integrieren soll. Das macht er so gut, daß er bald einem einsamen Gamer den besten Freund, einer heimlichen Lesbe den zukünftigen Ehemann, einem sterbenden Schauspielstar einen interessierten Journalisten und der kleinen Mia gar den Vater gibt. Phillip übt aus Fotos zu lesen, lernt Konversationsbausteine auswendig, das Busineß läuft gut, doch er kommt an Grenzen. Auch an seine.
Es konnte wirklich nur Brendan Fraser sein, dieser riesige Kerl mit dem Gesicht eines traurigen Kindes, der als Phillip in so viele Rollen schlüpft, in Fettnäpfchen tritt, lernen muß, daß Familie eben nicht nur auf dem Papier besteht. Man nimmt ihm den „Gaijin“ ab, der so gern Japan verstehen will und daran nur scheitern kann. RENTAL FAMILY spielt großartig und in nicht unangenehmer Weise auch durchaus ein wenig manipulativ auf der Gefühlsklaviatur, Gänsehaut stellt sich ein, wenn Mia den sich etwas ungelenk vorstellenden Phillip schließlich als Vater akzeptiert, wenn er denn nur schwöre, nie wieder wegzugehen. Die Kleine weiß nicht, daß er von ihrer Mutter gebucht wurde, um den Schein einer intakten Familie zu wahren, damit für das Kind ein besserer Schulplatz rausspringt.
Regisseurin und Autorin Hikari ist nichts weniger als ein zutiefst humanistisches und in aller Rührung eben nicht bleischweres Poem gelungen, das daran erinnert, wie wichtig es ist, sich selber gewahr zu werden, daß man gesehen, gebraucht und geliebt wird. Der Film erzählt auch von Einsamkeit, und er zeigt das (Familien-)Leben, wie es häufig ist: voller Lügen und Heimlichkeiten, voller Verletzungen und Täuschungen. Da ist der Film wahrhaftig, denn sonst bedürfe es derartiger Agenturen, die es tatsächlich gibt, ja nicht.
RENTAL FAMILY führt seine Hauptfigur über teils schmerzliche Wege zu ihren eigenen Wurzeln und zu bekennender Ehrlichkeit, ein Schlüsselsatz aus Kindermund lautet hier: „Warum lügen Erwachsene eigentlich immer?“ Phillip wird im Zuge des Gefühls einer neuen, wenn auch käuflich erworbenen, Zugehörigkeit schonungsloser auf sein eigenes Ich schauen. Daß dieser Prozeß bisweilen naiv erzählt ist, stört gar nicht, paßt nämlich perfekt zu Phillip.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.