Originaltitel: BABARDEAL? CU BUCLUCSAU PORNO BALAMUC

Rumänien/Luxemburg/Kroatien/Tschechische Republik 2021, 106 min
FSK 18
Verleih: Neue Visionen

Genre: Satire, Drama

Darsteller: Katia Pascariu, Claudia Ieremia, Olimpia Malai, Nicodim Ungureanu

Regie: Radu Jude

Kinostart: 08.07.21

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Love Me Tender

Im ersten Moment kommt das Gefühl auf, man sei im falschen Film: Die mit Wackelbildern gedrehte Sexszene will einfach nicht enden. Und sie verstört! Genau wie der Rest des in drei Teilen angelegten Films. Denn im ersten Drittel passiert, nach dem knalligen Beginn, erst mal kaum etwas. Emi, die die dann irgendwie versehentlich ins Internet gelangende Szene mit ihrem Mann aufgenommen hat, mäandert mit ihrer Handtasche unterm Arm ohne offensichtliches Ziel durch Bukarest.

Regisseur Radu Jude präsentiert die Landeshauptstadt in amateurmäßig abgefilmten Schwenks über bröckelnde Häuserfassaden und vergilbte Werbeplakate. Der Ton der Bewohner ist rauh, voller Sex und Gewalt. „Fick Dich, Du Homo“, schreit der Autofahrer. Emi läßt sich davon nicht beirren, genausowenig von ihren Widersachern, denn ihr Job als Lehrerin steht aufgrund des freizügigen Videos auf Messers Schneide. Die Handlung ist vorerst banal, doch Jude reichert sie mit einer metaphorischen Metaebene an. Im zweiten, experimentellen Teil des Tryptichons schneidet er Archivmaterial wild aneinander: sozialistische Paraden, Werbespots, Fiktion und TV-Nachrichten. Darin thematisiert er die totalitäre Gesellschaft, Verbrechen im Nationalsozialismus und andere Greueltaten, Unbewußtes – wirr und verstörend, witzig und erleuchtend.

Nun könnte man meinen, daß mittlerweile selbst auf großen Filmfestivals, inmitten dieser unglaublichen Flut von Bewegtbildern, kaum noch etwas reizen kann, außer eben explizite Sexszenen und derber Nazikram. Jude aber, der schon mit seinem Debütfilm THE HAPPIEST GIRL IN THE WORLD 2009 auf der Berlinale premierte und in diesem Jahr den Goldenen Bären gewann, schafft einen wahnwitzigen Film, der anhand eines privaten Sexvideos die moralischen Verirrungen der menschlichen Spezies durchexerziert.

Während sich das aufgeklärte Bürgertum am Kleinklein abarbeitet, wabern die eigentlichen Abgründe unter der Oberfläche. Die Form, die Jude dafür wählt, ist wahrlich Geschmackssache und manchmal schwer auszuhalten. Am Ende aber überwiegt die tragische Beklommenheit trotz absurden Schauspiels und pinker Einspieler und kulminiert in einem bizarren Tribunal der Lehrerschaft, vor dem sich Emi mit rassistischen und homophoben Beschimpfungen verantworten muß. Der Clou: Sie schauen das ganze Video noch einmal gemeinsam, so mancher mit Genuß.

[ Claudia Euen ]