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Der letzte Applaus

Bewegende Lebensgeschichten voller Leidenschaft

Südamerikanische Altmusiker stehen hoch im Kurs bei deutschen Dokumentarfilmern. Kein Wunder, hat doch Wim Wenders’ BUENA VISTA SOCIAL CLUB Standards gesetzt, was erfolgreiche Dokumentationen in den Kinos angeht. Das Greisenporträt war allerdings auch Trendsetter für die Verkitschung von armutsgeplagten exotischen Nationen. Fünf Jahre später produzierte Wim Wenders eine Musikdoku namens MUSICA CUBANA, ein Film, der zumindest vermarktungstechnisch gezielt im Fahrwasser seiner Kult-Doku plaziert war. Daß nun German Kral, argentinisch-deutscher Regisseur von MUSICA CUBANA, in seinem neuen Werk sechs alternde Musiker begleitet, die es mit ihrer Folklore noch einmal vor Publikum krachen lassen wollen, mutet zunächst einmal recht unoriginell an.

Das Befahren bekannter Gewässer führt hier allerdings auch dazu, daß Kral sein Handwerk versteht. Er kennt sich aus in Buenos Aires, seiner Geburtstadt, und sein Objekt der filmischen Begierde, die berühmte Tango-Bar El Chino, verfehlt seine Wirkung nicht. Im Kerzenschein, vor putzbröckelnden Wänden spielen die porträtierten Tango-Sänger, und ihre Stimmen reißen mit, erzählen von bewegten Leben. Doch plötzlich ist erst mal Schluß mit den Klageliedern vor rustikaler Kulisse. Barbesitzer Chino verstirbt und mit ihm die Bühne für die alten Eisen des Tango.

Von hier an begleitet der Film, der insgesamt sieben Jahre im Leben der Musiker abdeckt, die Protagonisten auf ihrer Suche nach einem neuen Platz für ihre Leidenschaft. Es mag göttliche Fügung oder aber eher das Engagement der Filmemacher sein, daß ein junges Tangoorchester auf die Gesangs-Urgesteine aufmerksam wird und sie zu einem letzten großen Auftritt überredet. Und wo sollte der anders stattfinden, als im für eine Nacht wieder geöffneten El Chino?

DER LETZTE APPLAUS wirkt im Vergleich zu MUSICA CUBANA um Einiges erdiger und weniger gestellt. Der Film lebt von seinen Charakteren, die bei aller Einwirkung der Filmemacher einfach authentisch rüberkommen und das Werk mit ihren bewegenden Lebensgeschichten und ihrer Leidenschaft tragen.

Man wünscht ihnen, daß sich der Soundtrack zum Film so gut verkauft wie einst der von Wenders’ Kinohit. Dann gebe es für die Musikanten vielleicht ein echtes Happy End. Eins, das länger dauert als der letzte Applaus im El Chino.

Originaltitel: EL ULTIMO APLAUSO

D/Argentinien/J 2008, 88 min
FSK 0
Verleih: Arsenal

Genre: Dokumentation, Musikfilm

Darsteller: Christina de los Ángeles, Inés Arce, Julio César Fernán, Horacio Acosta, Abel Frías

Regie: German Kral

Kinostart: 21.05.09

[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...