Originaltitel: PHANTOM THREAD

USA 2017, 130 min
FSK 6
Verleih: Universal

Genre: Drama, Liebe, Thriller

Darsteller: Daniel Day-Lewis, Vicky Krieps, Lesley Manville

Regie: Paul Thomas Anderson

Kinostart: 01.02.18

24 Bewertungen

Der seidene Faden

Abgründe in stilvollster Vollendung

Für Truffaut zum Beispiel existierte ja das Kino maßgeblich deshalb, um auf der Leinwand mit schönen Frauen schöne Dinge zu tun oder den schönen Frauen bei den schönen Dingen zuzuschauen. Oder wie genau dann gleich wieder das Zitat ging, welches anzubringen in Zeiten erhöhter Gendersensibilität ja auch nicht ganz ohne Risiko ist.

Ein Risiko, das hier trotzdem mal eingegangen sei. Truffauts Satz nämlich mag einem aus mehrfachen Gründen einfallen, wenn man jetzt den neuen Film des Ausnahmeregisseurs Paul Thomas Anderson sieht. Ein Ausnahmefilm auch der, natürlich. DER SEIDENE FADEN erzählt die Geschichte eines Mannes, der die Frauen vielleicht nicht so liebt, wie die Frauen sich das wünschen, aber der sie auf so vollkommene Art einzukleiden versteht, daß wiederum keine Wünsche offenbleiben: Reynolds Woodcock heißt der Meister der Haute Couture. Kein Modedesigner, ein Künstler! Kein Star, ein König! Zu dessen Londoner Domizil, ins „House Of Woodcock“, in den 50ern auch die Damen aus Königsfamilien pilgern, um sich einkleiden zu lassen. Daß Woodcock ein Exzentriker ist, wird geradezu erwartet. Daß er als ausgesprochen attraktiver Mann ein notorischer Junggeselle, ein letztlich Unnahbarer ist, ebenfalls. Doch dann begegnet Woodcock der Kellnerin Alma.

Eine Liebe auf den ersten Blick, und die Blicke, mit denen Anderson das zeigt, zelebriert Kino in stilvollster Vollendung. Es ist tatsächlich – und das in aller Mehrdeutigkeit! – ein Kino der Blicke. Und es zeigt mit Hauptdarsteller Daniel Day-Lewis nicht nur einen unglaublich präsenten Schauspieler (den wohl besten seiner Generation), sondern auch einen schönen Mann, der schöne Dinge tut. Oder genauer gesagt: Dessen Figur Reynolds Woodcock Kleider schafft, die noch der unscheinbarsten oder grobschlächtigsten Frau Glanz und Anmut, Schönheit eben, zu verleihen vermögen.

Nun wäre Anderson nicht Anderson, wenn all diese Blicke aufs Schöne nicht auch die in einen Abgrund wären. Es ist die hier ganz fein gearbeitete Naht des Perfiden, des Psychothrillers gar, die sich entspinnt aus der Beziehung Woodcocks zu Alma (auf Augenhöhe: Vicky Krieps). Eine Liebe, ja. Aber eine, die die beiden in ein dunkel faszinierendes Muster symbiotischen Fatalismus’ verwebt. Und in eine Geschichte, ob der Truffauts unschuldiger Satz als etwas wunderbar Giftiges zu wirken beginnt.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.