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Ein Freund von mir

... quasselt zu viel

Wenn sich einer wie Sebastian Schipper nach seinem phänomenalen Erstling ABSOLUTE GIGANTEN mehr als sieben Jahre Zeit läßt, um wieder eine Geschichte über Jugend, den Willen auszubrechen, das Abschütteln gesellschaftlicher Zwänge zu erzählen, dann muß sich die neue, langerwartete Arbeit zwangsläufig dem Vergleich mit dem Vorgänger stellen. Und da packt EIN FREUND VON MIR erst mal klar und deutlich ein, wenn er auch nicht ganz ohne Reiz ist. Die Geschichte ist kurz und knackig.

Hans und Karl, zwei völlig unterschiedliche Typen, lernen sich bei der Arbeit in einer Autovermietung kennen und gehen fortan ein Stück gemeinsamen Weges. Dieser wird vornehmlich im Auto zurückgelegt, dabei hat man unendlich viel Zeit sich zu beschnuppern, schräge Nummern abzuziehen und zu bequatschen. Das wäre dann schon einer der Pferdefüße dieses Films: Schipper hat seine Neigung zum Verschwiegenen, seinen Hang zu vielsagenden Blicken abgelegt und läßt gerade Jürgen Vogel als Hans ohne Punkt und Komma labern, als sei die ganze Welt bei Tempo 170 in Text zu packen. Dabei verirrt er sich auch noch im Sprachgefühl, glaubt er doch tatsächlich, daß lockere Dialoge sich allein durch "geil", "top", "beschissen" und "hey" ergeben. Jugendlichkeit sieht eigentlich anders aus.

Noch einen weiteren Bleisack schleppt das in manchen Momenten auch wirklich witzige Werk mit sich rum: die Idee des Freiheitlichen mit dem Motiv der Autoraserei, hier auch gern mal nackt, zu bebildern, ist - mit Verlaub - altbacken, ausgedient und gipfelt mal wieder im obligatorischen Schrei der Protagonisten. Ist das jetzt schon der Tokio-Hotel-Effekt oder doch nur die Angst des Regisseurs sich zu wiederholen? Während einst Floyd & Co trotz Großstadt zu Füßen das Tor zur Welt als quietschend-klemmende Schiebetür empfanden, läßt Schipper Karl und Hans sich in einem fast futuristisch anmutenden Nirgendwo abstrampeln. Dortmund, Düsseldorf, Frankfurt??? Keine Ahnung. Durch das kühle Drumherum wirkt zudem die sich anbahnende Beziehung von Karl zu Hans’ Liebschaft Stelle etwas montiert, wenn auch die spanisch gesprochene Szene zu den schönsten des Films gehört. Reizend auch, wenn die Jungs versuchen, in den Kosmos des anderen Geschlechts zu tauchen - mit Mädchenstimmen. Es sind aber mehr so Ideen, die bestechen, die aber ergeben noch keinen "richtigen" Film, geschweige denn das Porträt einer suchenden Jugend.

Als Spiegel einer auf die Probe gestellten Freundschaft funktioniert der Film auch nicht richtig, dafür ist das Gestrampel der Helden zu pubertär, dafür dröhnen zu oft potenzbesoffen die Motoren. Überhaupt die ewige Rumraserei, warum eigentlich? Ist das dann am Ende vielleicht doch eher was für ganz junge Jungs? Und was bleibt dann für die Großen und im Speziellen für die Frauen? Die erwartet Bewährtes, denn einmal mehr setzt Daniel Brühl taktgenau den Eichhörnchenblick auf.

D 2006, 84 min
Verleih: X Verleih

Genre: Erwachsenwerden, Komödie

Darsteller: Daniel Brühl, Jürgen Vogel, Sabine Timoteo

Regie: Sebastian Schipper

Kinostart: 26.10.06

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.