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Elling

Herrliche Parabel über den Irrsinn im Allgemeinen und die Schönheit des Lebens

Wie machen die Nordlichter das nur? Was in den letzten Jahren aus Skandinavien in die Kinos schwappte, war meistens gut, häufiger noch brillant und jetzt das hier. Genial?

Doch der Reihe nach: Elling, ein zartes, aufgeregtes Muttersöhnchen vor dem Herrn und Kjell, ein Klotz von einem Mann, notorischer Vielfresser und verzweifelter Schürzenjäger, teilen sich ein Zimmer. In der Irrenanstalt einer norwegischen Kleinstadt. Doch die beiden sind keine hoffnungslosen Fälle, eher alltagsverrückt. So kommt es, daß sie ins echte Leben - bebrillte Soziologiestudentinnen würden«s technisch ausdrücken - resozialisiert und reintegriert werden sollen. In Oslo. In einer eigenen Wohnung. Das Chaos ist vorprogrammiert, Elling will nicht einkaufen, Kjell will vögeln - doch dazu müßte man schon mal das Haus verlassen. Der Sozialarbeiter Frank hilft den beiden: bald gehen sie in die Geschäfte, lernen telefonieren und besuchen ein Wirtshaus. Abenteuerspielplatz Leben. Und dann liegt doch eines Tages diese betrunkene Frau auf der Treppe. Kjell, die ewige Jungfer, wähnt sich seinem Ziel nahe, und Elling, der ängstliche Flo, stürzt sich in die Poesie und wird Underground-Literat. Name: E. Wie sonst?

Natürlich krümmt man sich vor Lachen, wenn diese beiden ungleichen Typen sich auf das schlitterige Parkett des Alltags wagen, wenn kindische Zickereien losbrechen, als gäbe es kein Morgen: doch dieses Lachen kann niemals hämisch sein. Trotz einer heftigen Klatsche - gerade bei Elling - verströmen die Käuze ein derart ungehöriges Maß an Sympathie, daß einem warm ums Herz wird. Die müssen eben alles lernen: den respektvollen Umgang mit anderen Menschen, das Beherrschen und Nutzen heutiger Technik, das Zurechtkommen in der Großstadt, Behörden, Instanzen, Ignoranten ...

Petter Naess reißt fast am Rande an, daß man gar nicht verrückt genug sein kann, um den allgemeinen Irrsinn zu verstehen und die Schönheit des Lebens zu erkennen. Natürlich gibt es dann auch eine Reise ans Meer, bei der Kjell seine Unschuld verliert, Elling ihm dafür eine saubere Unterhose borgt und beide die Erfahrung machen: schon schön da draußen! Naess, eigentlich ein Theatermann, zeigt uns, wie man ohne tumbe Rührseligkeit, vom Aufrechtgang nicht ganz so normaler Menschen erzählt: leichtfüßig, doppelbödig, tiefsinnig, komisch und ergreifend! Genial? JA!

Originaltitel: ELLING

Norwegen 2001, 90 min
FSK 6
Verleih: Arsenal

Genre: Schräg, Tragikomödie

Darsteller: Per Christian Ellefsen, Sven Nordin

Regie: Petter Naess

Kinostart: 02.05.02

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.