D/Luxemburg/Belgien 2017, 102 min
FSK 12
Verleih: X Verleih

Genre: Historie, Komödie

Darsteller: Moritz Bleintreu, Antje Straube, Anatol Taubmann

Regie: Sam Gabarski

Kinostart: 06.04.17

1 Bewertung

Es war einmal in Deutschland ...

Auf das Leben!

Wie erzählt man am sensibelsten vom unermeßlichen Leid, das die Juden durch den Nationalsozialismus erlitten haben? Wie reflektiert man deren schmerzlichste Erinnerungen? Wie glättet man gekrümmte Seelen, und wie versüßt man tiefsitzende Bitterkeit? Und wie läßt es sich noch am besten über die tiefschwarzen Schatten der Vergangenheit springen? Es empfiehlt sich, es wie Sam Garbarski in ES WAR EINMAL IN DEUTSCHLAND ... zu tun: mit Witz! Und Empathie. Und ganz schlicht dem richtigen Takt. Als hinreißende Komödie, die niemals klamaukig gerät, als cleveres Lachstück mit Hintersinn, zu dem dreibeinige Hunde, schlechtsitzende Schnurrbärte und ein ganzer Haufen jüdischer Tugenden gehören. Dazu paßt die Aushebelung des Klischees, nach dem Juden gute Kaufleute sind, indem Garbarski einfach zeigt, daß das nämlich stimmt.

So lernen wir David kennen, einen jüdischen Kaufmann, der nach Kriegsende ein florierendes Geschäft mit Wäsche aufbaut: Frotteetücher, Laken und feinste Damastbettwäsche. Aus Paris! Er ist ein Schlitzohr, ein windiger Hund, ein gerissener Kerl, der mit großer Sympathie von Moritz Bleibtreu gegeben wird. Dann zitiert man den Kaufmann zur Befragung, die aufklären soll, ob nicht mancher Jude im Krieg doch mit den Nazis kollaborierte. In diesen eigenwilligen Befragungen durch eine US-Agentin tauchen wir in die Vergangenheit Davids, die eine Geschichte bereithält, die von Chaplin erdacht sein könnte – oder doch einfach nur der verrückten Wahrheit entspricht. Hitler hatte keinen Humor, das braucht gewiß nicht angezweifelt zu werden, also bestellte man den als lustigen Kerl bekannten David, um sich Witze auszudenken, mit denen die steirische Rotzbremse Mussolini beeindrucken konnte. Es begann ein irres Rollenspiel, zu dem gehörte, daß man als falscher Arzt auch mal Nazikäsequanten kneten mußte.

Garbarski erzählt kurzweilig, mit viel verschmitztem Humor und großer Empathie von ziemlich merkwürdiger Schuld, vom Hunger nach Leben und von manch’ notwendiger Lüge, mit der ein Weitermachen überhaupt erst möglich war. Er verheimlicht in keiner Sekunde, daß erlittenes Leid, große menschliche Verluste und tiefste Vernarbungen einem für immer am Latsch kleben, aber weiterleben sollte man bitte dennoch. Keiner wird wieder lebendig, wenn man selbst vor die Hunde geht, und manchmal muß man tatsächlich den von Gram gebeugten Rücken wieder geradestrecken: Was soll denn das auch für eine Schuld sein, nur weil man das Grauen überlebt hat? Garbarski geht bei allem in warmes Licht getauchten Kintopp den richtigen Fragen nach. Dazu gehört auch an sich Simples, wie zum Beispiel, warum die Amerikaner nicht einfach die Zugangsstraßen zu den KZs zerstört haben?

Garbarskis Witz tut in manchem Moment höllisch weh, das steht für das Wahrhaftige an diesem wunderbaren Film, dem eben vor allem der große Komödiant Bleibtreu, das ist er wirklich, immer wieder in die Leichtigkeit zurückverhilft. Darauf ein kraftvolles „L’chaim!“

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.