Originaltitel: L’IVRESSE DU POUVOIR

F/D 2006, 108 min
Verleih: Concorde

Genre: Polit, Drama

Darsteller: Isabelle Huppert, Thomas Chabrol, François Berléand

Regie: Claude Chabrol

Kinostart: 20.07.06

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Geheime Staatsaffären

Kluges Kino über das Verglühen an der Macht

Ob nun der einst spektakuläre Korruptionsskandal um das Mineralölunternehmen Elf Aquitaine tatsächlich als Vorlage zu diesem faszinierenden Politstück diente, ist zweitrangig. Ebenso zu vernachlässigen ist der Umstand, daß Chabrol durchaus schon - zumindest auf den ersten Eindruck - noch stärkere Filme gemacht hat. Wie soll es denn anders auch sein, bei einem, der mittlerweile um die 55 Filme gedreht hat? Wobei zu ergänzen ist, daß Chabrol dennoch mit diesem modernen Sittengemälde ganz enormes Qualitätskino garantiert. Er hat nun zum siebten Mal den Leinwandzauber einer Isabelle Huppert heraufbeschworen, mal wieder mit einer Rolle, deren ambivalenten Charakter sie gekonnt und wie immer mit bestechender Präzision ausfüllt, und der - ebenfalls nicht zum ersten Mal bei ihren Chabrol-Figuren - die Sympathien nicht leichthändig einfängt. Sie bleibt die große Unergründliche, deren seelische Schluchten so sicher wie tief sind. Dafür agiert Chabrol aber diesmal - trotz schattigem Thema - mit feinem Witz, wofür schon der unmißverständliche Name der Hauptfigur bürgt: Jeanne Charmant-Killman.

Die Dame ist Untersuchungsrichterin in höchster Instanz, eine Juristin von der gründlichen Sorte. Man darf durchaus meinen, daß diese Frau hart wie Granit sein kann. Muß sie auch, wenn sie nur ein Fünkchen Wahrheit ans Licht bringen will, als sie den Korruptions- und Veruntreuungssumpf eines global agierenden Unternehmens trockenlegen will. Ihre Anhörungen der Beschuldigten sind von Chabrol brillant inszenierte psychologische Studien, haarscharfe Sezierungen menschlicher Verkommenheit, die keinen Erklärbär brauchen, dafür das feinsinnige, kaum sichtbare Lächeln von Mme Huppert. Das zückt sie immer dann, wenn sie kurz davor ist, die Falle zuschnappen zu lassen. Oder sie gibt diese apathischen Antworten auf das hilflose Rudern eines seine Unschuld beteuernden Führungshengstes: "Oui. Je sais ...". Faszinierend, was diese Schauspielerin schon beim Einsatz nun wahrlich minimalistischer Mittel auslösen kann.

Und zum Altmeister selber: Chabrol ist gottlob nicht daran interessiert, von Geld- und Machtgeilheit forcierte Verstrickungen auf Zimmergröße zu reduzieren. So geht es bei ihm eben auch ans Private. So wird selbst die holde Jeanne an ihrem Eifer, beim Siegesgriff nach den Fäden der Mächtigkeit vielleicht nicht gänzlich verglühen, aber doch gebrandmarkt sein. Ihr Mann ordnet sich diesem ins Intime verlagerten Krieg nicht unter. Er verabschiedet sich auf erschütternde Weise.

Was Chabrol diesmal zu einem nüchternen Chronisten der Verkommenheit macht, ist auch das große ratlose Schulterzucken in der Schlußsequenz. Er wirft neue Fragen auf, die sich darum drehen, ob - jenseits von Moral - den Verstrickungen, Rechtsverletzungen und der Kaltschnäuzigkeit beim Gerangel um Einfluß überhaupt beizukommen ist.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.