Originaltitel: GIMME DANGER

USA 2016, 108 min
FSK 0
Verleih: StudioCanal

Genre: Dokumentation, Biographie, Musik

Regie: Jim Jarmusch

Kinostart: 27.04.17

1 Bewertung

Gimme Danger

Sympathischer Kniefall vor dem Rumpelstilzchen des Punk

Wenn Indie-Ikone Jim Jarmusch zur Kamera greift, um Jim Osterberg aka Iggy Pop und seiner Band „The Stooges“ ein Denkmal zu setzen, dann darf man schon mehr erwarten als bei Martin Scorseses altbackener Stones-Doku SHINE A LIGHT. Die Stooges sind die (ungekrönten) Könige des Punk. 1967 in Ann Arbour gegründet, wurde die Band sowohl in London als auch in New York für ihre radikale Bühnenshow bewundert und beeinflußte alle wichtigen Punkbands wie die Ramones, die Sex Pistols, The Damned und später Sonic Youth. 2003 erlebten sie ihr großes Comeback auf dem Coachella Festival, wo der damals 56jährige Iggy Pop über die Bühne fegte, ganz so, als wäre er alterslos. Leider gilt das nicht für die anderen Stooges der ersten Stunde. Iggy ist heute der einzige Überlebende der Ur-Besetzung, was angesichts ihres exzessiven Lebensstils kaum verwundert.

So bleibt es weitgehend Jim Osterberg, der es sich als Songwriter zur Maxime gemacht hat, nie mehr als 25 Worte pro Song zu verbrauchen, vorbehalten, die Geschichte der Stooges zu erzählen. Ergänzt durch ältere Interviews mit Ron und Scott Asheton, den legendären Stooges-Brüdern und späteren Mitstreitern, entfaltet er die Geschichte einer Band, die schon immer alles anders machen wollte, aber zwischendurch vergessen hatte, warum. Rare Aufnahmen früher Auftritte zeigen, daß die Bühnenshow viel mehr mit Dada gemein hatte als mit Rockstargehabe. Sie zeigen auch, daß sich an Iggys explosiver Kraft kaum etwas geändert hat. Die einzigen Unterschiede sind ein Abstand von 50 Jahren und die Tatsache, daß die Stooges heute ein elementarer Teil des Pop-Establishments sind.

Der Film hat trotzdem etwas von einem sympathischen Fanzine: getragen von purer Bewunderung, collagenhaft, mit Mut zur Lücke und charmant dilettantischen Animationssequenzen, vollgepackt mit großartiger Musik und Stories von im Wäschetrockner behandelten Marihuana-Pflanzen, die ein altersweiser Iggy Pop mit leiser Ironie zum Besten gibt. Dem Rumpelstilzchen des Punk steht das Altern gut. Nur das – wie viele kolportieren – von ihm selbst erfundene Stage-Diving hat er vor ein paar Jahren nach einem schmerzhaften Sturz aufgegeben.

Das Publikum in der Londonder Carnegie Hall war, als er bei einem Benefizkonzert zum Sprung ansetzte, mit britischer Höflichkeit einfach zur Seite getreten. So ganz ist das Lebensgefühl des Punk dann wohl doch noch nicht in der Hochkultur angekommen.

[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.