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Golden Door

Oh, Du üble neue Welt!

Wer auch immer dafür zuständig war, den GOLDEN DOOR-Trailer zu erstellen, verdient sich ein vorbehaltloses Lob, da sich dieser ins Gedächtnis frißt. Mit knackigen Dialogzeilen, großen Gefühlen, wunderbaren Bildern, dem einnehmenden Gesicht Charlotte Gainsbourgs. Doch mehr denn je gilt, daß ein Trailer nur als Vorschau fungiert, weshalb das komplette Werk die geschürten Erwartungen nicht ganz erfüllt.

Natürlich darf man auch in Langform Madame Gainsbourgs Physiognomie auf sich wirken lassen. Als junge Engländerin Lucy bringt sie Mysterium und Faszination an Bord eines Ozeandampfers auf dem Weg gen Amerika, Anfang des 20. Jahrhunderts. Unzählige Passagiere möchten ihr Glück in der neuen Welt finden, darunter Salvatore nebst Familie, sizilianische Auswanderer. Ihn erwählt Lucy zum Gatten, weil nur so ihre Einreise gesichert ist. Doch am "Goldenen Tor" angekommen, warten strikte Regeln, menschenunwürdige IQ-Tests und erniedrigende Untersuchungen auf die hoffnungsvollen Ankömmlinge. Wer seine eigene Meinung vertritt, wird als schwachsinnig abgestempelt und zurückgeschickt. Träume platzen, Illusionen vergehen, schlimmstenfalls enden Leben ...

Visuell nimmt diese Reise mit surrealen Einsprengseln sowie großartiger Kameraarbeit durchaus immer noch gefangen. Und wenn die legendäre Stimme Nina Simones plötzlich "I’m Feeling Good" röhrt, damit das Geschehen zynisch konterkariert, möchte man glatt niederknien, um dem Regisseur für diesen Einfall zu danken. Aber solche Szenen bleiben Ausnahmen, weil die Schauwerte nicht auf einem adäquaten erzählerischen Fundament fußen. Schlaglichtartig werden Sequenzen aneinandergereiht, quasi abgearbeitet, Situationen und Stationen vereinen sich kaum zum Handlungsstrang, dem interessiert zu folgen wäre. Teils steht man gar kurz davor, sich selbst zu fragen: "Ja. Und?" Da kämpfen auch die starken Schauspieler auf verlorenem Posten.

Knappe zwei Stunden dezente Amerika-Kritik und am Ende – neben der faszinierendsten Einstellung des gesamten Films – ein Fazit à la "Zu Hause ist es doch am besten" waren der Jury in Venedig dennoch den Silbernen Löwen wert. Man darf also durchaus sehr geteilter Meinung sein.

Originaltitel: NUOVOMONDO

F/I 2006, 118 min
Verleih: Prokino

Genre: Drama

Darsteller: Charlotte Gainsbourg, Vincenzo Amato, Aurora Quattrocchi, Francesco Casisa, Filippo Pupillo

Regie: Emanuele Crialese

Kinostart: 31.05.07

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...