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I Phone You

Virtuelle Liebe auf ungleichem Terrain

Man merkt dem Drehbuch von Wolfgang Kohlhaase an, daß er mit seinen 80 Jahren virtuellen Liebesbeziehungen nicht über den Weg traut, so wie er eine tragende Hauptrolle des Films – das multifunktionale Must-Have-Gatchet I-Phone – „besetzt“. Das kleine Zauberteil, mit dem man so wunderbar Nähe vorgaukeln kann, ist das Geschenk Yus an Ling. Es soll die Verbindung zwischen ihnen halten, zwischen China und Deutschland, genauer zwischen den Millionenstädten Chongqing und Berlin, den beiden Schauplätzen, an denen die Liebesgeschichte spielt.

Die junge Regisseurin Dan Tang, geboren in Chengdu, China, beweist ein gutes Gespür für Orte und Situationen, die in ihrer Heimat spielen. Hier bewegt sich die Filmgeschichte so schwebend und leicht wie die Musik von Smod aus Mali, die Ling begleitet, wenn sie mit ihrem Mofa als Blumenclown verkleidet durch die Millionenmetropole braust. Sie arbeitet im Geschäft ihres Onkels und überbringt Blumenbotschaften zu Hochzeiten und betrogenen Ehefrauen. Yu ist ihr Abenteuer für eine Nacht, das am Morgen in einem Hotelzimmer endet. Die Putzfrauen beseitigen das opulente Blumengebinde, und Ling entschwindet unwirklich schön in roter Robe in ihr eigentliches Leben. Es wird nicht ganz klar, ob sie wirklich so naiv ist, den kitschigen Liebesschwüren Yus, die er fortan per Phone zu ihr sendet, zu glauben, aber irgendwann sitzt sie am Flughafen in Berlin. Der erwartete Yu kommt allerdings nicht, sondern schickt seinen persönlichen Assistenten Marco.

In Deutschlands Hauptstadt angekommen ,verliert die Erzählung an Schwung. Lings Suche nach Yu läßt sie von einer nicht wirklich spannenden Szenerie in die nächste stolpern – visuell als auch inhaltlich. Da die asiatischen Touristentruppen am Brandenburger Tor, dort der ambitionierte DJ im runtergewohnten Altbau, rüpelige deutsche Uniformierte, die Ling im Park ohne Ausweis „aufgreifen“ – das Erkunden der „fremden“ Metropole gerät wenig überraschend. Zumindest für alle über 22, die in einigermaßen großen Städten leben.

Aber auch einer Twenty-Something-Zielgruppe, die der Film anscheinend ansprechen will, hätte man ruhig ein etwas ausgefeilteres Deutschlandbild anbieten können, wenn man Dinge wie Ausländerfeindlichkeit und Sexismus thematisieren möchte. Und die Liebe? Die bleibt irgendwo im Dazwischen stecken. Was gar nicht schlimm wäre, wenn der Filmfluß den Beat von China gehalten hätte.

D/China 2011, 95 min
Verleih: Reverse Angle

Genre: Drama, Liebe

Darsteller: Jiang Yiyan, Florian Lukas, Wu Da Wie, Annette Frier

Stab:
Regie: Dan Tang
Drehbuch: Wolfgang Kohhaase

Kinostart: 26.05.11

[ Susanne Schulz ]